Am 31. Juli durfte ich im Rahmen der Nationalfeier in Lützelflüh eine Rede halten. Menschen jeden Alters, die
Musikgesellschaft Grünenmatt, ich in Sonntagstracht - und ein Mikrofon im Gesicht. Es ging ums «Schweizsein». Ein grosses Thema. Aber statt die Bundesverfassung auszuwalzen oder so zu tun, als hätte Wilhelm Tell meinen Text redigiert, habe ich einfach erzählt. Von Jetlag, QR-Codes und der Frage: Was bedeutet es heute, Schweizer zu sein - zwischen Käseplatte, Tradition und Technik? Ich erzählte etwa, wie mein Lützelflüher Grosi 1990 für den Viehhandel nach Amerika gereist war. Mit Karton-Ticket, ohne Flüssigkeitskontrollen. Im Flugzeug lief der Film an der Decke und das Essen schmeckte - laut Grosi - wie im Sternerestaurant. Beinfreiheit in der Economy inklusive. Heute bucht die künstliche Intelligenz unsere Reise, sobald wir sagen: «Irgendwas mit Bergblick.» Sie organisiert Hotel, Nackenmassage und prüft den Cholesterinwert. Zu hoch? Dann gibts das Dessert zuckerfrei! «Ä Seich, woni da verzeue.» Und doch manchmal praktisch. Statt 14 Reiseführer durchzublättern, liefert der Bot. Die gewonnene Zeit nutzt man für wirklich wichtige Dinge: Lachen. Wandern. Den Nachbarn beim Grillieren beobachten - und ihn heimlich beneiden, weil er immer perfekte Glut hinkriegt. Und genau da liegt die Krux: Je digitaler alles wird, desto mehr sehnen wir uns nach dem Analogen. Nach Begegnungen, Geschichten, Blasen an den Füssen. Nach echten Menschen mit echten Meinungen - oder wenigstens mit Dialekt. Wer mal ohne Google Maps einfach losläuft, weiss: Das verändert mehr als jeder TED-Talk. Von meinen Camps zurück in der Schweiz merke ich immer wieder: Wir sind eigen - im besten Sinn. Wir «schnorre», wie uns der Schnabel gewachsen ist, und diskutieren über Grillwürste und Wetter. Wir haben Berge, Seen, Pendlerfrust und Abstimmungen. Und ein Land mit Sicherheit, Freiheit und Perspektiven. Natürlich - zwischen Kuhglocken und Kantönligeist ist nicht alles harmonisch. Auch hier gibts Schattenseiten - von Bürokratie bis übertriebenem Bünzlitum. Aber wie jemand aus meinem Sportumfeld sagt: Alles liegt 50 Prozent in der Sonne und 50 Prozent im Schatten. Manchmal sehen wir nur eine Seite - aber beide sind da. Und wer beide akzeptiert und sich über die Sonne etwas mehr freut, ist doch automatisch zufriedener. Die Vergangenheit ist vorbei, auch wenn viele sagen, früher sei alles besser gewesen, die Zukunft ungewiss - aber das Heute? Das gehört uns. Und wenn wir es mit Humor, Herz und einem anständigen Stück Käse gestalten, wird das Morgen fast von allein gut.