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Sauna als Menschenrecht

Mehr als einmal wurde ich im Dorf auf meine glanzvolle Abwesenheit angesprochen. Man sehe mich so selten, obwohl ich doch nun schon mehr als ein halbes Jahr wieder hier lebe. Was ich denn täte, wenn nicht um die Häuser ziehen. Wo ich Gottfried Hueber die ganze Zeit stecke. Ich verrate es gerne: Ich bin in der Sauna. Wann immer ich kann, so lange es geht und so nahe am Siedepunkt wie nur möglich. Gebt mir die Wahl zwischen einem schönen Abend mit spannenden Menschen in meiner Lieblingsbar und ein paar Stunden bei 80 Grad plus – ich bevorzuge Letzteres. Bietet mir zehn Millionen Gratistermine im angesagtesten Nagelstudio der Welt oder eine Freikarte in die Sauna –  ich entscheide mich fürs Schwitzen. Es mag sein, dass ich zu viel in die Tradition des Heissluftbadens hineinprojiziere, doch finde ich in diesen dämmerigen Holzkabäuschen nun mal die Welt vor, in der ich bitte gerne auch bei Temperaturen bis und mit vierzig Grad leben möchte. In der Schwitzstube herrschen Frieden, Wohlwollen und Entspanntheit. Ein Miteinander auf engstem Raum, von dem wir angesichts des aktuellen Weltgeschehens nur träumen können. In der Sauna sind alle gleich, und zwar nackt, teigig und so überhaupt nicht an Konflikten interessiert. Beruf, Modestil, Statussymbole, Herkunft, politische Gesinnung, das Portemonnaie, akademische Grade, das alles liegt irgendwo ennet des Täfers. Das Wichtigste hier: dass der Schweiss nicht auf die Holzbänke tropft. In die Sauna, so stell ich mir immer vor, kommen die Menschen, um sich auf nichts weiter als ihr angeborenes Harmoniebedürfnis herunterschmelzen zu lassen. Auf ihre Essenz, von der ich noch immer glaube, dass sie mehrheitlich gut ist. Sie kommen, um sich zu erinnern, wer sie wirklich sind in dem ganzen Alltagstrubel. Und ebenda bin auch ich, wenn mich im Dorf keiner sieht. Fernab von Telefonklingeln, Google, Whatsapp, Mails und Instagram-Kooperationsanfragen. Dreimal transpirieren, dreimal eisbaden und dreimal halb ohnmächtig auf einem Liegestuhl vor mich hin existieren – wo in aller Welt kann ich mir so etwas sonst noch erlauben? Falls ich jemals in die Politik einsteigen sollte, dann nur, um eine eigene Sauna für ein globales Menschenrecht zu erklären. Stellen Sie sich vor, wie dort alle Hitzköpfe ganz automatisch relativiert würden, und die kalten Seelen aufgetaut. Wie die Menschen wiederfinden würden, was ihnen in unserer hibbeligen Zeit viel zu oft abhandenkommt: Auszeiten und den Genuss eines Lebens im Moment.

07.03.2024 :: Miriam Margani-Lenz (mml)