Das alte Schloss und seine Geschichte

Das alte Schloss und seine Geschichte
Können Sie die Schrift auf dem Schloss entziffern? «1636 HER IOST MOSER FRIG WEIBEL», was so viel bedeutet, wie «Herr Jost Moser, Freiweibel». / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Arni: Erich Moser hat einen alten Speicher wieder aufbauen lassen. Verschlossen wird das Gebäude mit einem Holzschloss, an dem Erich Moser seit seiner Jugend hängt.

Jahrzahlen haben Erich Moser von klein auf fasziniert. Da war etwa die Jahrzahl 1836, eingraviert über dem Kellereingang des Restaurants Rössli, Arnisäge, wo er aufgewachsen ist. Und da war die Broschüre «Ortsgeschichte Biglen», in der ein Speicherschloss abgebildet ist, das den Schüler «elektrisierte». Die Inschrift auf dem Holzschloss lautet: «1636 HER IOST MOSER FRIG WEIBEL». Der Name Moser fiel dem Jungen sofort auf. Der Besitzer des Schlosses könnte aus seiner Familie stammen. Eine Annahme, die sich später als richtig erweisen sollte.

Zum anderen staunte er über die Jahrzahl. Für den Teenager wirkte dieser 200-jährige Gegenstand «unheimlich wertvoll». Jetzt war seine Faszination für die Vergangenheit endgültig erwacht. Zu Hau-se nahm der Sekundarschüler ein altes, handgeschriebenes Buch hervor und lernte kurzerhand die alte deutsche Schrift lesen.


Doch noch grünes Licht

Die Jahre vergingen. Erich Moser liess sich, wie seine Mutter, zum Koch ausbilden, frischte in der Freizeit alte Möbel auf, heiratete eine Hamburgerin. Der Zufall wollte es, dass er in den Neunzigerjahren in eine Überbauung in Biglen zog, die in Sichtweite zu diesem Speicher lag. Liesse sich der Speicher auf das Grundstück seiner Familie versetzen? Die Besitzer des Speichers waren nicht abgeneigt, aber die kantonale Denkmalpflege winkte ab, und auch sein Vater wollte nichts von dem «nutzlosen» Gebäude wissen.

Zwanzig Jahre später zogen die Mosers in das Haus der Grosseltern in der Hämlismatt, Gemeinde Arni. Im Zusammenhang mit der Renovation erzählte Moser der Denkmalpflege von seinem einstigen Speicher-Projekt. Und siehe da, die Zeit hatte für ihn gearbeitet. Die Denkmalpflege gab grünes Licht, der Besitzer des Speichers war nach wie vor einverstanden und Moser machte sich daran, die notwendigen Bewilligungen einzuholen.


Zerlegt, geflickt und wieder aufgebaut 

Für die Versetzung und die Restauration des Speichers brauchte es Spezialisten, die Moser in der Firma «Terra Vecchia» fand. Deren Fachleute zerlegten den Speicher fachgerecht, lagerten die Elemente ein, rekonstruierten den verloren gegangenen Unterbau und ersetzten die morschen Stellen mit Neuholz, das in Mosers Wald bei günstigem Mond geschlagen wurde. Schliesslich baute die Firma den Speicher an der Strasse nach Lützelflüh wieder auf.

Erich Moser und seine Frau Angelika blieben währenddessen nicht untätig. Sie leerten zwei grosse Estriche, den Dachstock des «Rössli» und den Estrich des Hauses der Grosseltern. Das Wertlose schmissen sie weg, das «Mittelmässige» sammelten sie, um es in der eigenen Brockenstube zu verkaufen, das «Interessante» schliesslich legten sie sorgfältig auf die Seite, um einen Teil davon im Speicher auszustellen.

Das Innere des Speichers gleicht heute einem begehbaren Familienalbum. Im Obergeschoss illustrieren ausgesuchte Objekte die Berufe der Vorfahren: mütter­licherseits die Gerber (Metzger) und die Wälti (Wirte), väterlicherseits die Moser (Müller) und die Kohler (Kolonialwarenladen). Das Untergeschoss ist zum einen Iost Moser gewidmet, dem Besitzer des Speicherschlosses von 1636 und Urahne von Erich Moser. Ein Gemälde zeigt ihn reich gekleidet neben seinem Vater.  

«Da in einem Dorf alle über sieben Ecken herum miteinander verwandt sind, wird die Ausstellung Ortsansässige und Heimatberechtigte interessieren», hofft der Ausstellungsmacher. Mit Hilfe seiner Tochter hat er einen gelungenen Internetauftritt realisiert, der das Bauprojekt beschreibt und Auskunft über die Ausstellung gibt.

Moser nennt seinen Speicher «Abraham». So habe ein Mann geheissen, dem im Mittelalter fast alles gehörte. Der Ortsname «Hämlismatt» leite sich von «Abrahams Matte» ab, erklärt er. Auf einem Eichenholzbrettchen hat er den Namen des Speichers geschnitzt. Dabei hat er sich vom Schriftzug von 1636 inspirieren lassen.

02.05.2024 :: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)