Mit Musik Emotionen wecken – und die Erinnerung wachhalten

Mit Musik Emotionen wecken – und die Erinnerung wachhalten
Posaunist Armin Bachmann, der als Gastsolist auftritt, hat einen persönlichen Bezug zum Thema. / Bild: zvg
Emmental: Die Brass Band Emmental gestaltet ein Konzert zum Thema «Fremdplatziert». Der Abend auf der Lueg erinnert an ein dunkles Kapitel – und soll versöhnlich enden.

Was hat das Thema Fremdplatzierung mit Musik zu tun? Auf den ersten Blick wohl nicht viel. Und doch veranstaltet die Brass Band Emmental in der Lueg-Arena, Kaltacker, ein Open-air-Konzert, das sich just diesem dunklen Kapitel der Schweizer Geschichte annimmt.

Zu verdanken hat sie dies ihrem Baritonisten Erik Bichsel. Seit über 15 Jahren ist er Mitglied der Brass Band – und er ist Geschichtslehrer. Im Rahmen seines Studiums an der Pädagogischen Hochschule Bern kam er mit der Geschichte der Fremdplatzierung in Berührung. «Das Thema hat mich gepackt», erzählt Bichsel. Ihm sei bewusst geworden, dass es im Emmen-tal sehr viele Verdingkinder gegeben habe und dass es noch nicht lange her sei, dass solche Fremdplatzierungen Alltag gewesen seien. «Dass Vergangenes nicht in Vergessenheit gerät, stufe ich gerade auch für die Gegenwart als sehr wichtig ein», sagt der gebürtige Lützelflüher.


Düster bis versöhnlich

Da es bereits einige Filme und Bücher zum Thema gibt, entschloss sich Erik Bichsel zu einem musikalischen Ansatz. «Ich wollte mir einen bestimmten Effekt der Musik zunutze machen: Emotionen zu wecken.» Daran, dass die Brass Band Emmental für ein solches Projekt offen ist, habe er keine Sekunde gezweifelt, erzählt Bichsel. «Wir machen viele aussergewöhnliche Projekte.»

Mit dem Dirigenten Jan Müller machte sich Bichsel auf die Suche nach Musik, die das historische Thema widerspiegeln könnte. Entstanden ist ein vielseitiges Programm. Es reicht von «Jupiter» aus der Orchestersuite «Planets» des britischen Komponisten Gustav Holst über eine Interpretation des bekannten Volksliedes «S´isch äbe-n-e Mönsch uf Ärde» bis zu einem Ländler für Brass Band von Albert Benz. «Wir starten düster, im Laufe des Abends werden immer versöhnlichere Klänge angeschlagen», erklärt der Projektleiter das Konzept.


Politische und literarische Einschübe

Musik allein genügte Erik Bichsel dann doch nicht, um dem Publikum das Thema näherzubringen. Der Abend wird daher mit verschiedenen Gästen ergänzt. «Mir war der politische Aspekt wichtig», sagt Bichsel. Zu Wort kommt Regierungsrätin Christine Häsler, die als Initiantin der Wiedergutmachungsinitiative nah am Thema ist. Beat Eymann wird als Zeitzeuge aus seinem Leben erzählen. Und Armin Bachmann, ein bekannter Schweizer Posaunist, tritt nicht nur mit einer Uraufführung aus der Feder des Schweizer Komponisten Oliver Waespi als Gastsolist auf, sondern liest auch aus Gotthelfs «Bauernspiegel», der vom Leben eines Verdingkindes erzählt. Auch Bachmann, der in Sörenberg lebt, hat einen besonderen Bezug zum Thema: Die Mehrheit seiner zehn Geschwister ist fremdplatziert aufgewachsen. 

Der Konzertabend sei wegen des  schweren Themas eine Gratwanderung, meint Erik Bichsel. Dass die Thematik trotzdem ein breites Publikum erreichen kann und die Musik  – gerade mit ihren emotionalen und versöhnlichen Klängen – dazu beiträgt, die Erinnerungskultur zu stärken, davon sind Erik Bichsel und die Brass Band Emmental überzeugt.

29.08.2024 :: Regine Gerber (reg)