Im Atelier in Schüpbach: Helen Kohler. / Bild: Max Sterchi (mss)
Schüpbach: Für ihre Abschlussarbeit an der Keramikdesign-Fachklasse wurde Helen Kohler gleich mit zwei Preisen ausgezeichnet.
Es liegt wohl an der Familiengeschichte, dass Helen Kohler nach ihrer Lehre als Gestalterin Werbetechnik eine weitere vierjährige Ausbildung in Angriff nahm und sich an der Schule für Gestaltung in Bern zur Keramikerin ausbilden liess. «Ich habe lange überlegt, ob ich diese Zweitausbildung machen will, und ich bereue meinen Entscheid nicht», sagt Helen Kohler und fügt an: «Ausschlaggebend war schlussendlich die Faszination für das Material Ton, das Geschirr, das dreidimensionale Gestalten und die Neugier, was die Ausbildung mit sich bringt. Ich hatte die Möglichkeit zu experimentieren, etwas Neues zu probieren und auch, meinen ersten Beruf als Werbetechnikerin mit der Keramik zu verbinden.»
Die Suche nach Form und Farbe
«Eine Spannung soll erzeugt werden zwischen Form und Farbe, zwischen Volumen und Fläche, zwischen Keramik und Schrift», schrieb Helen Kohler zur Ausgangslage für ihre individuelle praktische Arbeit (IPA). «Als Druckvorlage benutzte ich Schriftzeichen, welchen mit ihrer Verbiegung die Erkennbarkeit weggenommen wird.» Nach einer umfangreichen Recherche und dem Prozess der Formsuche sei die Idee gereift, aus einer vasenähnlichen Grundform durch Schneiden eine neue Formsprache zu finden. Durch das Abschneiden von unterschiedlichen Winkeln und Richtungen seien so mehrere voneinander abweichende Grundmodelle entstanden. «Zur Herstellung dieser Modelle verwendete ich Gips, weil sich dieser Werkstoff problemlos sägen und schneiden lässt. Von den entstandenen Modellen fertigte ich – wiederum aus Gips – die Giessformen an, in die ich in einem ausgeklügelten Verfahren die Tonmasse eingiessen konnte», erläutert sie die einzelnen Herstellungsschritte.
Ein weiteres Experimentierfeld bildete das Siebdruckverfahren. «Ich mischte verschiedenste Farbpigmente zusammen und erprobte unter anderem die Farbstärke mit mehreren Siebgeweben. Die Themen von Form und Farbe, Volumen und Fläche, Keramik und Schrift, all das versuchte ich in eine Gruppe von Gefässen umzusetzen», erläutert sie das weitere Vorgehen. In Anlehnung an den Begriff «Räumlinge» in der Architektur bezeichnet sie ihre entstandenen Werke als «Gefässlinge». Sie könnten als Kunstwerke im Raum stehen oder liegen und dabei einen Bezug zum Hintergrund darstellen oder einfach auf einem Sockel stehen. Sie könnten aber auch, ihrer Bezeichnung entsprechend, als Gefässe dienen und so verschiedenste Inhalte fassen, erklärt die Keramikerin.
Experimentierfreude wurde belohnt
War diese Arbeit der Grundstein für den Beginn einer rein künstlerischen Karriere? «Nein», meint Helen Kohler ohne lange zu überlegen, «ich möchte Gebrauchsgegenstände herstellen. Aber dank dieser Arbeiten konnte ich meine Erfahrungen erweitern und es war sehr toll, sich eine Zeit lang so intensiv mit Projekten zu befassen. Daran kann ich nun anknüpfen und versuchen, meinen persönlichen Stil zu finden, um zu gegebener Zeit eine eigene Produktion zu starten.» Hat sie ihren eigenen Stil nicht schon gefunden? Jedenfalls hat sie mit ihren Arbeiten die Jury der Paul Bösch Stiftung überzeugt und, zusammen mit einer anderen Lernenden, den Förderpreis Keramikdesign 2023 erhalten. Zudem wurde ihr für ihre Abschlussarbeit der Anerkennungspreis 2023 der Organisation Swissceramics verliehen. Die Werke ihrer Abschlussarbeit werden, gemeinsam mit andern prämierten Arbeiten, vom 14. bis 24. September am Festival «Rund um Keramik» in der Wasserkirche in Zürich ausgestellt. Zudem werden sie auch in der Töpferei Kohler in Schüpbach zu bewundern sein.
Familiengeschichte geht weiter
«Ich freue mich nun auf die keramischen Arbeiten im Atelier in Schüpbach, wo ich aufgewachsen bin; für mich ein schöner Ort zum Arbeiten», sagt Helen Kohler. Auch Vater Eduard verhehlt seine Freude nicht. Bereits in vierter Generation hat er im Jahr 1987, zusammen mit seinem Bruder Ulrich, den Töpfereibetrieb ihrer Vorfahren übernommen. Eduard Kohler hat sich dann kontinuierlich eine eigenständige Produktion mit Steinzeugkeramik aufgebaut, während sein Bruder die traditionelle Engobetöpferei weiterführte. Im Jahr 2014 haben sie die beiden Betriebe örtlich getrennt, Ulrich Kohler stellt seither seine Erzeugnisse am Standort der ersten Töpferei an der Eggiwilstrasse 11 her. Im Jahr 2019 konnte die Töpferei Kohler ihr 150-jähriges Bestehen feiern, genau in dem Jahr, als Helen Kohler ihre Zweitausbildung begann und damit den Grundstein für den erfolgreichen Weiterbestand des Traditionsbetriebes legte.