Wüthrich und Brandösch – eine grosse Tradition

Wüthrich und Brandösch –  eine grosse Tradition
Trub: Im Brandösch in Trub kümmern sich die Wüthrichs um Haus, Land und Vieh – und das bereits seit einigen Jahrhunderten.

Neben dem Bauernhaus Ober Brandösch steht eine moderne Güllenpumpe, bereit für ihren Einsatz. Dank der Einrichtung kann Heinz Wüthrich die Gülle effizient auf seine Wiesen ausbringen. Ohne moderne Maschinen würde der Landwirtschaftsbetrieb heute nicht funktionieren: Schliesslich schmeissen Heinz und Doris Wüthrich den Betrieb allein und gehen daneben noch anderen Tätigkeiten nach. Sie arbeitet in einem Treuhand-Büro, er kümmert sich um die Kehrichtabfuhr in den Gemeinden Trub und Trubschachen.

Noch die letzte Generation, Heinz Wüthrichs Eltern, welche auch heute noch ab und zu mit anpacken, beschäftigte noch einen Mitarbeiter. Und die Generation davor? «Da wurde noch ganz anders gebauert», meint Heinz Wüthrich, «auf einem Hof wie dem unsrigen waren Melker, Mägde und während der Ernte Taglöhner beschäftigt.» Zudem mussten die einstigen Besitzer recht wohlhabend gewesen sein. Nur dadurch lässt es sich erklären, dass sie sich anno 1786 ein derart grosses Bauernhaus leisten konnten. Hinter der rund 18 Meter breiten Fassade haben sich einst nicht weniger als fünf Zimmer verborgen.

Quellen im 15. Jahrhundert
Noch viel älter als das schmucke Bauernhaus ist die Geschichte der Wüthrichs vom Brandösch. Heute heissen die Besitzer der drei dortigen Heimwesen – Ober, Unter und Hinter Brandösch – allesamt Wüthrich. In zwei Fällen tragen die Besitzer sogar den Namen Wüthrich-Wüthrich. «Wir haben bei der Heirat im Zivilstandesamt geforscht, wissen aber bis heute nicht, ob die beiden Familienstämme irgendwo verbunden sind», meint Doris Wüthrich, welche in der Gemeinde Trubschachen aufgewachsen ist.  
Die Heimwesen im Brandösch sind der Stammsitz der Wüthrich von Trub. Der erste urkundlich erwähnte Wüthrich von Brandösch wurde 1477 in den bernischen Ratsmanualen eingetragen: «Peter von Brandösch, den man nempt wüterich». Es ist durchaus möglich, dass das Brandösch-Gut bereits damals seit mehreren Generationen in derselben Familie war – nur waren damals Familiennamen noch nicht verbreitet. Sicher ist, dass bereits 1531 zwei Heimwesen im Brandösch existierten, «nämlich das Vorder Brandösch, das dem Hansli z’Brandösch und das hintere Heimwesen, das dem Hans z’Brandösch gehörte», steht im Truber Heimatlexikon. Dort ist auch zu lesen, welch Abgaben die Heimwesen der Obrigkeit zu leisten hatten. Alleine das vordere Gut musste im 16. Jahrhundert jährlich zwei Pfund Geld, drei Mass fetten Ziger, zwei alte und vier junge Hühner, 1 Mähder- und zwei Schnittertagwerke, zwei Mass Primizhafer, ein Dingkäse sowie ein Fuder Heuzehnten (oder 30 Pfenninge in bar) abliefern. Das alles tönt recht umfangreich, umgerechnet in die Gegenwart würden die Besitzer des vorderen Brandösch-Heimwesens nur rund 1500 Franken Steuern zahlen.

Wenn auch die stattlichen, denkmalgeschützten Häuser, die Matten und Wälder den Eindruck erwecken, in dieser Gegend habe sich über all die Jahrhunderte nichts verändert, täuscht dies natürlich. Heute werden die Steuern per E-Banking beglichen und im Garten vor dem Haus gedeihen derzeit nicht Gemüse und Blumen, sondern Rasen, welcher zum Fussballspielen benutzt wird. Auch in der Landwirtschaft stand das Rad der Zeit nie still: Die heutige Generation stellte alle drei Betriebe im Brandösch auf biologischen Landbau um und deren Väter begannen, aus Gras nicht nur Heu, sondern auch Silage herzustellen, um effizienter arbeiten zu können.

Wüthrich, Wüthrich – und eine Ausnahme

Auch frühere Generationen erlebten einschneidende Veränderungen: Da wurden Alpen gekauft und wieder verkauft, Heimwesen aufgeteilt… Durch all die Dokumente zieht sich aber der Familienname Wüthrich wie ein roter Faden. Die Tradition der Brandösch-Heimwesen weist aber auch  Schlenker auf: Abraham Wüthrich-Röthlisberger, welchem der Hof im 19. Jahrhundert gehörte, hatte keine Nachkommen, der Hof ging an dessen Neffen über. Am Namen änderte sich freilich nichts, dieser hiess Ulrich Wüthrich. Der Name des Besitzers änderte erst im 20. Jahrhundert: In der Zeit des Ersten Weltkriegs starb der einzige männliche Hoferbe, Fritz Wüthrich, an der Grippe. Der Besitz ging an dessen Schwester über (welche nach der Heirat Wälti hiess), und damit riss – was den Namen anbelangt – der Faden der Wüthrichs. Der Hof blieb aber immer in Besitz dieses Familienstamms und wurde verpachtet. Mit Heinz und Doris Wüthrich, welche den Betrieb 1997 kaufen konnten, gehen nun wieder «echte» Wüthrich auf Ober Brandösch zu Werke. Noch Heinz Wüthrichs Eltern hatten den Hof «nur» gepachtet.



«Wir leben im Hier und Jetzt»
Wie schwer drückt die Last der Geschichte? «Wir erhalten ab und zu Besuch, etwa wenn ein Ahnenforscher den Stammhof der Wüthrich besuchen will», berichtet Doris Wüthrich. «Wir leben aber im Hier und Jetzt und kümmern uns nicht gross um die Geschichte.» Und die nächste Generation? «Unsere drei Kinder sind Teenager, da ist noch sehr offen, welchen Weg sie einschlagen werden», erklärt Heinz Wüthrich. «Wenn es für jemanden stimmt, den Betrieb zu übernehmen, ist das gut. Es gibt aber auch andere Wege und Orte, an denen man glücklich sein kann.» Jonas, dem Jüngsten, gefällt es in seiner Heimat. Zu Besuch bei Verwandten in Zürich habe er erklärt, dass er dort nie Leben könnte, berichtet seine Mutter. Lieber zeltet er in Brandösch. Gesellschaft leistet ihm ein Nachbarsbub – natürlich auch ein Wüthrich. 

Aus Anlass des internationalen Jahres der bäuerlichen
Familienbetriebe beleuchten wir in dieser Serie verschiedene Aspekte der heutigen Bauernfamilie.
07.08.2014 :: Bruno Zürcher (zue)