Die Bäuerin und Kauffrau Sandra Steffen greift Bauernfamilien unter die Arme, welchen die Büroarbeit über den Kopf wächst. / Bild: x x (x)
Schüpfheim: Was soll eine Bauernfamilie tun, wenn ihr die Büroarbeit über den Kopf wächst? Hier bietet das SOS-Bauernhof-Büro seit zwei Jahren Unterstützung an.
«Die Idee zum SOS-Bauernhof-Büro geisterte schon länger in meinem Kopf herum», erzählt die vierfache Mutter, Bäuerin und Kauffrau, Sandra Steffen. Ihr ist aufgefallen, wie sehr in den letzten Jahrzehnten der administrative Aufwand in der Landwirtschaft zugenommen hat und wie kompliziert alles geworden ist. Nicht alle Bauern und Bäuerinnen können mit dieser Entwicklung Schritt halten oder es fehlt ihnen im Alltag die Zeit, um die Büroarbeiten laufend zu erledigen. Steffen, die Erfahrung in der Buchführung hat und seit Jahren für Privatpersonen Steuererklärungen ausfüllt, weiss, dass Bauernbetriebe schlimmstenfalls in eine prekäre Abwärtsspirale geraten können.
Ordnung in die Papierstapel bringen
Wie wichtig eine Anlaufstelle für Betroffene wäre, erlebte Sandra Steffen, als sie und ihr Mann vor ein paar Jahren eine andere Bauernfamilie – die kurz vor dem Konkurs stand – unter ihre Fittiche nahm. «Der Start war für alle schwierig», erinnert sich Steffen. Zuerst hiess es, Ordnung in die Papierstapel zu bringen; Kuverts zu öffnen und eine Gesamt-Schuldenübersicht zu erhalten. Zusammen mit einem fachkundigen Berater erstellte die 41-Jährige auch eine Übersicht anfallender notwendiger Reparaturen und Investitionen. Stundenlang und unentgeltlich schrieb sie Mails an Gläubiger und führte Telefonate mit potenziellen Geldgebern wie beispielsweise Stiftungen.
Hat der Betrieb eine Zukunft?
In all der Arbeit stellte sich gar die Frage, ob der Betrieb überhaupt noch eine Zukunft hat und wenn ja, in welcher Form. Alles Fragen, die ein gewisses Fachwissen voraussetzen, das eine gewöhnliche Schuldenberatung nicht bieten kann. Schliesslich gelang es allen Beteiligten, den Betrieb so auszurichten, dass die Familie inzwischen und auf längere Sicht wieder ein geordnetes Leben führen kann. Bestätigt durch diesen Erfolg und durch die Dankbarkeit, die ihr begegnete, erhielt Sandra Steffens Idee eines SOS-Büros neuen Auftrieb.
Stiftung unterstützt Steffens Arbeit
Blieb die Frage, wer bezahlt, wenn sich finanziell schwache Landwirtschaftsbetriebe ihre Unterstützung nicht leisten können. «Ich kann es ja nicht immer gratis machen», sagt Steffen, die ebenfalls auf einen Verdienst angewiesen ist. Schliesslich half ihr der Zufall: Durch ihren damaligen Arbeitgeber, die Unesco Biosphäre Entlebuch, lernte sie 2018 eine Mitarbeiterin der Stiftung Suyana kennen. Diese Stiftung unterstützt unter anderem landwirtschaftliche Projekte in der Schweiz und stimmte spontan einer Zusammenarbeit mit Sandra Steffen zu. Die SOS-Bauernhof-Büro GmbH war geboren. Richtig angelaufen ist der neue Betriebszweig von Sandra Steffen aber erst im letzten Herbst, als ihr Angebot in der ganzen Deutschschweiz Bekanntheit erlangte. «Besonders viele Anfragen bekomme ich von Drittpersonen, die mich bitten, einer bestimmten Bauernfamilie unter die Arme zu greifen», erzählt sie. So einfach ist das aber nicht, denn die Betroffenen müssen selber aktiv werden oder zumindest damit einverstanden sein, wenn eine Drittperson stellvertretend für sie beim SOS-Bauernhof-Büro anruft. «Der erste Anruf ist oft die grösste Hürde», erzählt Sandra Steffen.
Nach dem Anruf folgt ein erstes Gespräch bei den Betroffenen zu Hause, bevor es meist umgehend ans Aufräumen des Büros geht. Vor Ort bei den Kunden zu sein, sei wichtig, so Steffen. «Schliesslich bin ich keine Beraterin, sondern eine Macherin», betont sie. Und eine Organisatorin, die nichts lieber tut, als Ordnung zu schaffen, wo alles hoffnungslos erscheint. Oder wie sie sagt: «Je grösser das Chaos im Büro meines Kunden, desto mehr reizt mich die Aufgabe.»
Weitere Infos: www.bauernhofbuero.ch