Für das Gruppenbild haben sich alle schnell positioniert – in der Zeitung erscheint man nicht jedem Tag. / Bild: Remo Reist (rrz)
Langnau: Bei PluSport Oberemmental sind Sportbegeisterte mit und ohne Beeinträchtigungen willkommen – neu schon ab zwölf Jahren. Ein Trainingsbesuch kurz vor Weihnachten.
Es ist Donnerstagabend, 19.15 Uhr. In der Turnhalle des Berufsschulhauses ist ein Parcours aufgestellt. 30 Personen von PluSport Oberemmental stehen für die wöchentliche Turnstunde bereit; zu spät kommt niemand. An anderen Wochentagen wird auch Schwimmen, Tanzen, Velofahren, Curling oder Unihockey angeboten. Seitdem die Behindertensportgruppe BSO 1971 gegründet wurde, ist der Verein stetig gewachsen; heute hat er 130 Mitglieder, davon sind 25 im Leitungsteam. Sogar Sportcamps oder der Besuch nationaler Wettkämpfe gehören zum Jahresprogramm.
Eine lockere Stimmung
«Wir haben einen Weihnachtsparcours vorbereitet, der sogar durch den ganzen Gang bis in den zweiten Trainingsraum führt», sagt Anita Megert. Die Signauerin ist seit Jahren dabei, so wie die Vereinspräsidentin, Renate Hänni aus Rüegsauschachen. Im Leitungsteam dabei sind – wie so oft – auch Anita Megerts Tochter Kiara und Sohn Timo; sie sind mit dem sozialen Engagement ihrer Mutter aufgewachsen.
Den Bewegungshungrigen wird ganz natürlich vermittelt, wie der Parcours funktioniert – nichts wird unnötig überbetont oder wiederholt.
Die Spannweite der geistigen Wahrnehmung ist sehr unterschiedlich, was hier völlig egal ist. Alle gehören einfach dazu und machen das, was sie sich zutrauen – darauf lasse sich aufbauen, lautet das Credo. «Hier springt ihr drüber, dort steigt ihr durch den Ring hindurch und hüpft nicht bloss darüber», sind Renate Hännis anleitenden Worte. Die Anwesenden hören gebannt zu.
Einige preschen vor, kennen nach dem Startkommando kein Halten und absolvieren den Parcours in der Halle in Windeseile. «Du kannst das. Hey, das hast du sehr gut gemacht!», ist von den Betreuenden mehrmals zu hören. Alle fühlen sich sichtlich wohl. Zu sagen ist: Das Leitungsteam hat drei Routen vorbereitet, jede Person absolviert den Parcours im passenden Tempo. Es gibt kein Drängeln und die Teilnehmenden helfen sich gegenseitig – ganz selbstverständlich.
Die schönsten Kugeln zuunterst
«Wir sorgen immer wieder für neue Impulse», erzählt Renate Hänni. Nicht ohne Grund seien die schönsten Weihnachtskugeln beim Eingang zur Halle zuunterst im Körbchen am Boden zu finden. «Die Leute sollen sich hier bücken», sagt Anita Megert. Ist eine Kugel ausgewählt, soll sie durch den langen Gang in den zweiten Trainingsraum getragen und dort an ei-nen Weihnachtsbaum aus Holz gehängt werden. Später wird hier zum Abschluss noch ein Weihnachtslied gesungen; das Zusammengehörigkeitsgefühl wird gelebt. «Es sind Kleinigkeiten, die sich auf die Gesundheit und auf das Wohlbefinden auswirken», ist Renate Hänni überzeugt.
Sie muss es wissen, denn seit Jahren ist sie fast immer anzutreffen, wenn PluSport Oberemmental irgendwo präsent ist. Regelmässiges Bewegen fördere die Körperfunktion, wie zum Beispiel das Gleichgewicht, die Koordination, die Beweglichkeit und Kraft und dadurch werde auch der psychische Zustand positiv beeinflusst. Das bedeute mehr Selbständigkeit und damit eine leichtere Integration in die Gesellschaft, sagen die zwei Leiterinnen übereinstimmend. Auf die Teilnahme an nationalen Wettkämpfen oder anderer mehrtägiger Events bereite man sich recht minutiös vor – entsprechend emotional werde es nach Niederlagen, aber vor allem nach Siegen – «das Positive überwiegt ganz klar.»
Noch mehr durchmischte Gruppen
Man möchte den Verein verjüngen, weshalb die Sportangebote neu schon ab zwölf Jahren zur Verfügung stehen. Menschen mit und ohne Behinderungen seien willkommen, wie auch Angehörige der Sportbegeisterten. Zum Verein gehören auch Menschen, die mit einer psychischen Einschränkung leben. Schliesslich gebe es hier in ungezwungener Atmosphäre keinen Leistungsdruck. «Wir denken völlig inklusiv und sind für alle da», betonen die Leiterinnen. Wie wichtig die sozialen Kontakte ausserhalb einer Institution seien, würden auch die sehr beliebten Trainings mit den Konfirmierenden zeigen. «Barrieren werden abgebaut und das ist unheimlich wichtig», sagt Renate Hänni. Sie erwähnt, dass es schön wäre, wenn mehr Angehörige die Turnenden begleiten würden. An diesem Abend nehmen ein Vater und sein Sohn gemeinsam teil – sie wirken wie ein eingeschworenes Team. Ebenfalls zu überzeugen wusste die Tanzgruppe mit einem ausserordentlich arrangierten Auftritt.
Teamwork und Disziplin
Ehe man sich noch kurz zum Jahresabschluss versammelt, wird die Halle aufgeräumt. Selbstverständlich helfen alle auf ihre Art mit und ruckzuck ist alles wieder am richtigen Platz. Renate Hänni dankt den Mitgliedern für den Einsatz. Ein junges Paar verrät die gemeinsamen Zukunftspläne und abschliessend kommt planmässig eine Teilnehmerin zu Wort. Dazu sagt Renate Hänni: «Wir binden unsere Mitglieder mit ein, sie haben ein Mitspracherecht. Wir machen regelmässig eine Umfrage, um die Bedürfnisse abzuklären – auch digital. Leute, die mit Handicap leben, sind ebenfalls am Computer und entwickeln sich technisch weiter.»
Die Unterstützung der Gemeinde Langnau sei übrigens bemerkenswert. Sie hätten zum Beispiel im Hallenbad eine weitere Trainingszeit gekriegt und können nun in zwei Gruppen aufteilen. «Das ist ein weiteres passendes Puzzleteil, das dafür sorgt, dass das Unterrichten nach Jahren ungebremst Freude bereitet.»