Heisse Eisen und klingende Hämmer

Heisse Eisen und klingende Hämmer
Der Rohling des Hufeisens wird nach Augenmass so lange geschmiedet, bis es genau auf das Huf passt. / Bild: Rebekka Schüpbach (srz)
Linden: Hufschmiede brauchen nicht rohe Kraft, sondern Fingerspitzengefühl und ein gutes Augenmass. Die Wettkämpfe vom letzten Wochenende stiessen auf grosses Interesse.

Es geht gegen Mittag, als sich am letzten Freitag Gruppe 3 bereit macht für den Wettkampf. Dieser Gruppe gehören fünf Lernende an. Jede und jeder bekommt einen Arbeitsplatz zugeteilt mit eigenem Amboss und Esse. Alle legen ihre Hämmer, Zangen, Feilen und Bürsten zurecht und spannen je einen sogenannten Tothuf in die dafür vorgesehene Halterung ein. An lebenden Pferden dürfen sie erst nach erfolgreich bestandener Abschlussprüfung alleine arbeiten. Die Uhr ist gestellt, es kann losgehen. Eine Stunde haben die jungen Männer und Frauen nun Zeit, um den Huf mit einem bereits fertigen Fabrikeisen zu beschlagen und andererseits aus einem geraden Eisenstab ein Hufeisen nach bestimmten Vorgaben zu schmieden. Das Publikum beobachtet interessiert, wie die Hufeisen erhitzt, gefeilt, gemessen, in Form gehämmert und am Huf angenagelt werden.


Mehr Frauen als Männer

Insgesamt treten heute 15 Lernende aus allen vier Lehrjahren gegeneinander an. Das ist rund ein Drittel aller 42 Lernenden, die aktuell schweizweit ausgebildet werden. Die Zahl der künftigen Hufschmiede ist also überschaubar. Prüfungsexperte Benedikt Huber wusste noch ein weiteres interessantes Detail: «An der diesjährigen eidgenössischen Abschlussprüfung waren 8 der 12 Absolventen Frauen.» Tatsächlich gibt es auch am Wettkampf einige Frauen; etwa Tamara Aegerter aus Bettenhausen. Die 17-Jährige ist im zweiten Lehrjahr und hat bereits eine Runde hinter sich. Zwar habe sie ein paar Fehler gemacht und ohne ihren Lehrmeister an der Seite sei es etwas ungewohnt gewesen. Dennoch ist sie recht zufrieden mit dem Resultat. Auch der Beruf gefalle ihr sehr gut, berichtet Tamara Aegerter weiter. «Ich arbeite gerne handwerklich und mit Pferden.» Im ersten Lehrjahr sei sie zwar manchmal schon etwas an ihre Grenzen gekommen, aber ihr Chef Matthias Kunz habe sie immer wieder motiviert und inzwischen gehe alles schon viel einfacher. Würde sie sich noch einmal für diesen Beruf entscheiden? «Ja, bei diesem Chef schon», schwärmt sie. Das Arbeitsklima sei sehr angenehm.


Gute Fitness und Augenmass

Auch Experte Benedikt Huber liebt seinen Beruf, der jedoch immer weniger auf dem Radar von Lehrstellensuchenden auftaucht. Auch deshalb organisierten er und seine Frau Monika den «Hufschmiedewettkampf mit Schmittechiubi». Der dreitägige Anlass in den Räumen der Hufbeschlag Benedikt Huber GmbH in Linden soll auf das traditionelle Handwerk aufmerksam machen und vielleicht den einen oder die andere junge Besucherin davon überzeugen, später selbst den Hammer zu schwingen. Wer diesen körperlich recht intensiven Beruf ausüben möchte, braucht nicht nur eine gute Fitness. «Das Wichtigste ist ein angenehmer Umgang mit Mensch und Tier», sagt Huber. Ausserdem sei ein gutes Augenmass wichtig. Denn jedes Hufeisen muss auf jedes Pferd, Pony oder Esel individuell angepasst werden. Wer von seinen vierbeinigen Kunden was für ein Eisen braucht, muss sich der 43-Jährige nicht aufschreiben. «Das weiss ich nach dem ersten Beschlagen.» Die Tiere bekommen meist alle zwei Monate neue Hufeisen. Einige Besitzer bevorzugen es, keine Eisen zu verwenden. Auch die Barhufpflege gehört zur Aufgabe eines Hufschmiedes.


Das zweitälteste Gewerbe der Welt

Besonders faszinierend findet Huber, dass sich das Pferd als Fluchttier überhaupt beschlagen lässt. Auch, dass überhaupt jemand vor 2000 Jahren auf die Idee kam, Eisen an Hufe zu nageln, sei eindrücklich. «Schon die Kelten haben ihre Pferde auf Kriegszügen beschlagen um, die Abnutzung der Hufe zu vermeiden», weiss er. 

Das scherzhaft genannt «zweitältesten Gewerbe der Welt» habe sich nur recht wenig verändert. Heute könne man beispielsweise Hufeisen ab Fabrik kaufen und das Material sei vielseitiger und einfacher zu bearbeiten als früher, erklärt Benedikt Huber. Ausserdem sind viele Hufschmiede mobil und fahren mit einer Werkstatt bei Bedarf direkt zu den Kunden. Die Glocke erklingt, die Stunde ist um für Gruppe 3. Eine zweite Runde von Wettkämpfen wird am Nachmittag stattfinden.


Zwei Hufe beschlagen in 45 Minuten

Auch samstags und sonntags gingen die Wettkämpfe weiter. Diesmal mit Teilnehmern, die bereits ein Eidgenössische Fähigkeitszeugnis als Hufschmied besitzen. Sie müssen innerhalb von 45 Minuten ein Pferd entweder vorne oder hinten auf beiden Seiten beschlagen. Am Samstag wurden zudem kreative Objekte geschmiedet, die am Sonntag zugunsten der Stiftung Theodora versteigert wurden. «Wir können der Stiftung 5100 Franken überweisen», sagen Hubers auf Nachfrage am Montag. Der Anlass habe ihre Erwartungen bei weitem übertroffen. «Es ging durch die Decke!» Viele Besucher hätten Fragen zum Beruf gestellt oder sogar Interesse an einer Lehre bekundet. «Genau das, was wir uns erhofft haben.»

13.06.2024 :: Rebekka Schüpbach (srz)