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Selbstbestimmt leben!

Es war einmal eine Gesellschaft, welche das Recht auf Selbstbestimmung als ihren höchsten Wert im Zusammenleben betrachtete. Dies brachte den Menschen ungeahnte Möglichkeiten und Freiheiten. Alle durften selber bestimmen, wo, mit wem und nach welchen Massstäben sie ihr Leben gestalten wollten. Freilich prallten bei aller Freiheit gegenteilige Sichtweisen aufeinander und führten nicht selten zu heftigen Konflikten. Während beispielsweise einige Frauengruppen die Abtreibung als Menschenrecht einforderten, setzten sich andere mit grosser Überzeugung für das Recht des ungeborenen Lebens ein. Die einen propagierten: «Mein Körper gehört mir! Niemand hat das Recht, meine sorgfältig geprüfte Entscheidung in Frage zu stellen.» Die anderen monierten: «Freiheit endet dort, wo die Freiheit eines anderen angetastet wird, was auch für den werdenden Menschen gilt.»

Weit weg von allen Demonstrationen, Diskussionen und Streitgesprächen lebte ein alter Bauer in einem abgelegenen Tal des oberen Emmentals die Vorstellung von Selbstbestimmung auf seine eigene Weise. Nachdem ein Wolf seine Lieblingsziege gerissen hatte, lud er das Gewehr und eines Nachts fiel ein Schuss. Da bekanntlich nichts verborgen bleibt, was nicht früher oder später ans Licht kommt, stand der Mann zwei Monate später als Angeklagter vor Gericht. Er hatte auf einen Anwalt verzichtet, weil er die besten Argumente auf seiner Seite wusste. «Mein Grundstück gehört mir!»,

erklärte er dem Gerichtspräsidenten im Brustton tiefster Überzeugung. «Ich habe meine Entscheidung nach sorgfältiger Abwägung selbstbestimmt getroffen.»

Nachdem der Mann zu einer saftigen Busse verurteilt worden war, unter Androhung einer Haftstrafe im Wiederholungsfall, kehrte er nachdenklich nach Hause zurück. Und wenn er nicht gestorben ist, überlegt er noch heute, warum in seiner

12.09.2024 :: Herbert Held