Ich gestehe: In meiner Jugend war ich ein Modelleisenbähnler. Wahrscheinlich fing das mit einer Brio-Holzeisenbahn
an und endete am Schluss mit einer monumentalen Modellanlage auf einem Estrich, die allerdings nie fertig wurde.
Heute habe ich eine Vermutung, was mich an diesem Hobby so faszinierte, dass ich da mein gesamtes Sackgeld und einen
Grossteil des Lehrlingslohns reinsteckte: Kontrolle.Du machst die Welt, wie sie dir
gefällt. Du drehst am Trafo-Knopf und der Zug setzt sich in Bewegung. Du stellst eine Weiche und er fährt auf
ein anderes Gleis. Du kannst Zugkompositionen erstellen und damit Bahnhöfe bedienen, du kannst so tun als wäre
es richtig - ohne dassdich jemand dabei stört. Keine
Fahrgäste, keine verpassten Anschlüsse, keine witterungsbedingten Verspätungen, nur ab und zu eine Panne wegen
Entgleisung. Aber die ist ja rasch wieder behoben.Irgendwann merkte ich:
DieWelt ist keine
Modelleisenbahnanlage. Ich habe das Leben nicht so perfekt unter Kontrolle. Es hält sich nicht an meinen
Fahrplan. Da passieren Überraschungen und Begegnungen, die alles verändern – und das ist eigentlich viel
spannender als die Vorhersehbarkeit auf festen Geleisen. An die Stelle der Kontrolle ist das Vertrauen getreten.
Und die Neugier, dieses Vertrauen auch mal auf die Probe zu stellen. Das Glück abseits einer vordefinierten Spur
zu finden. Je älter ich werde, umso unvorhersehbarer scheint mir das Leben. Aber genau das macht es spannend. Es
überrascht mich jeden Tag mit dem, was es mir bringt. Und ich überrasche es jeden Tag
mit kreativen Einfällen. Und so bekommt es eine spielerische Leichtigkeit, obschon ich weiss, dass es ja todernst
ist.Das Leben lässt sich nicht
beherrschen, es lädt mich ein, mit ihm zu tanzen. Und das tue ich. In meinem Stil.