Die ehemaligen Zinnsoldaten fordern statt Gewalt, einen Baum zu umarmen. / Bild: Pascal Lehmann (ple)
Lützelflüh: Wir sind alle anders gleich – ein Haufen bunter Figuren, die auf Pferden oder zu Fuss in Richtung Frieden marschieren.
Was einst ein Soldat mit einer Waffe in der Hand war, ist jetzt ein farbenfroher Demonstrant mit einer Fahne, auf der in Grossbuchstaben «LOVE» steht.
Am Freitag präsentierte die Kulturmühle in Lützelflüh die Vernissage der Ausstellung unter dem Motto «Wir sind alle anders gleich.» Künstlerin Regula Stucki zeigte dabei ihr neustes Gemeinschaftswerk «Hunderte Zinnsoldaten ziehen in den Frieden.» Eine Friedensdemonstration aus ehemaligen Miniatur Soldaten, die alle entwaffnet und bunt angemalt wurden. Statt Figuren mit Gewehren, konnte man kleine Demonstranten mit Fahnen und Schildern bestaunen, auf denen Friedenssymbole oder Parolen gegen den Krieg prangen. Das Werk wurde in Zusammenarbeit mit Oliver Lanz, Gymnasiallehrer für Bildnerisches Gestalten in Burgdorf, und sechs seiner Klassen realisiert. Neben Stuckis Arbeiten wurden auch noch weitere Werke von Schülern und Schülerinnen präsentiert.
Vision bei der Biennale in Venedig
Vor zwei Jahren bekam Regula Stucki einen Tipp von einer Freundin, dass auf einem Dachboden Zinnsoldaten in alten Kartonschachteln gelagert seien und niemand sich dafür interessiere. Die Figuren wurden während einer Hausräumung entdeckt. «Eigentlich wollte ich die Figuren nicht, sondern nur die Schachteln, um damit etwas zu gestalten.» Als sie dann aber die ungefähr zwei Zentimeter grossen Soldaten aus den Verpackungen holte, wusste sie sofort, dass dies ihr neues Projekt werden würde. «Ich habe den ersten Soldaten in die Hand genommen und ihn mit einer Zange entwaffnet. Danach habe ich ihn bemalt», erzählt Stucki. Was genau am Ende dabei entstehen sollte, war ihr in diesem Moment noch nicht bewusst.
Die Idee für die Friedensdemonstration kam Stucki vor ungefähr zwei Jahren, als sie die Ausstellung Biennale in Venedig besuchte. Zu dieser Zeit hatte der Ukraine-Krieg begonnen. «Während ich durch den Schweizer Pavillon lief, dachte ich, es wäre doch grossartig, wenn meine Figuren einen Friedensmarsch durch den ganzen Raum bilden würde, so Stucki. Die Vision war da, aber hunderte von Soldaten zu entwaffnen sowie anzumalen, benötigt viel Zeit. «Ich war sehr froh, als Oliver und seine Schüler und Schülerinnen mir ihre Hilfe anboten.»
Mit vereinten Kräften
Sechs seiner Gestaltungsklassen unterstützten das Projekt. Die Schüler und Schülerinnen konnten ihre Soldaten frei gestalten – die einzigen Vorgaben waren: Das Thema Frieden und dass die Figuren von links nach rechts laufen müssen. «Mir hat an diesem Projekt besonders gefallen, dass ich meine Meinung unverblümt mitteilen konnte, erzählt June Heldstab, Schülerin am Gymnasium in Burgdorf. Der Friedensumzug behandelt verschiedene Themen, so auch Toleranz und Gleichberechtigung. Die Schüler und Schülerinnen konnten sich durch das Gestalten ausdrücken und ihre Meinung kundtun. «Mir waren beispielsweise die Themen Autismus und Behinderung sehr wichtig, da ich selber von einer autistischen Störung betroffen bin», erzählt Heldstab weiter. Die auf Podesten drapierten Figuren laufen alle in dieselbe Richtung. Am Ende des friedlichen Umzugs versammeln sich alle Demonstranten auf dem letzten Podest. Der bunte Haufen feiert bis in die frühen Morgenstunden. Ein Schild mit der Aufschrift «Disco» lädt alle zum Tanzen ein – so zumindest die Vision der Künstlerin Regula Stucki.