Kerzen – nicht nur für die Adventszeit

Kerzen – nicht nur für die Adventszeit
Die Garnknäuel-Kerzen sehen aus, als wären sie echt. / Bild: Gertrud Lehmann (glh)
Hasle: Wo die fantasievollen Kerzen entstehen, ist auch der Lebensmittelpunkt von Kathrin Dreyer – hier verwirklicht sie laufend aussergewöhnliche und innovative Ideen.

Die Loftwohnung im alten Fabrikgebäude ist der ideale Lebens- und Arbeitsplatz für die Künstlerin und ihren Ehemann – wobei sie als Rentnerin nicht mehr arbeiten müsste, wie Kathrin Dreyer anmerkt. Ihre künstlerische Neigung wurde in jungen Jahren nicht gefördert, sie musste einen Pflegeberuf erlernen, «der anständig bezahlt wurde». Dennoch besuchte sie von sich aus die Kunstgewerbeschule Bern und erschuf in ihrer Freizeit wunderbare Dinge. So etwa die lebensecht wirkenden Puppenkinder mit den herzigen Kleidchen, die leider heute gar nicht mehr gefragt seien, wie sie sagt. 

Es gab eine Phase, in der Kathrin Dreyer malte, bevor sie sich der Herstellung ungewöhnlicher Kerzen zuwandte. Dem Erwerbsberuf muss sie nicht mehr nachgehen, dafür hat sie jetzt umso mehr Zeit für ihre Krea­tionen, die weit mehr als ein Hobby sind. Die nimmermüden Hände wird sie noch lange nicht in den Schoss legen, denn in ihrem Kopf entstehen stetig neue Ideen – manchmal mitten in der Nacht.


Vom Bierglas bis zum Engel

Wenn man durch die Wohnungstür eintritt, fällt der Blick auf das hohe Regal mit den vielen bunten Kerzen, die sich in ungewohnter Form prä­sentieren. Da sind zum Beispiel gefüllte Biergläser in täuschend echter Farbe – sie sind als Gag auch in einer Bierbrauerei erhältlich. «Nach dem Abbrennen können die Gläser weiterverwendet werden, weil der Gelwachs lebensmittelecht ist», sagt Dreyer. Ebenso das Mocca-Service, man meint den Kaffee zu riechen, so echt sehen diese Kerzen aus. Ein Haufen Garnknäuel in Pastellfarben lädt zum Stricken ein, auch diese Knäuel sind Kerzen. Es gibt ein Stück Käse inklusive Maus, Vasen, die von innen leuchten, Smileys, Pyramiden, Kugeln, Zylinder, Blumen und eine Hand, in die sich ein kleiner Engel schmiegt. Man findet auch geschmackvoll dekorier-
te Hochzeitskerzen, Taufkerzen, Geburtstagskerzen, Jubiläumskerzen und Kerzen zum Begräbnis. Anstatt Blumen, die bald verwelken, bilden sie ein besonderes Andenken.


Selfmade-Woman

«In dieser Kerzenproduktion stecken 20 Jahre Erfahrung», erklärt Kathrin Dreyer, «denn so etwas kann man nirgends lernen.» Sie arbeitet sorg­fältig und legt Wert auf hochwertige Materialien. Je nach Anwendung besteht das Kerzenwachs aus pflanzlichem oder tierischem Stearin, mineralölhaltigem Paraffin oder aus Rapsöl- oder Bienenwaben-Wachs, welches einen zarten Duft verströmt. Das Wachs wird mittels Farbgranulaten eingefärbt, die Kerzen werden nicht nur in Farbe getunkt. Auch die Silikonformen hat Dreyer selbst gegossen. Sie werden, mit Granulat gefüllt, im heissen Wasserbad erwärmt. Niemals sollte man Wachs direkt auf dem Herd erwärmen, warnt sie, sonst könnten giftige Dämpfe entstehen und sich womöglich explosionsartig entzünden. All diese Handarbeit ist aufwändig und erfordert Zeit. «Mehr als der Preis zählt für mich die Wertschätzung und die Freude, die ich in den Gesichtern der Kundinnen und Kunden sehe», sagt die Künstlerin. Sie verkauft die Kerzen auf Emmentalshop.ch und an kleinen Märkten in der Gegend. Hier kennt man sie und die Leute plaudern gerne ein bisschen, bevor sie etwas Schönes auslesen. «Die Kerzenmacherei ist eine Bereicherung in meinem Leben», sagt Kathrin Dreyer, «und sie schenkt mir Zufriedenheit.» Dabei wird es nicht bleiben. In ihrem Labor stehen neuerdings ein Glasfusing-Ofen und ein Miniatur-Betonmischer. Sie experimentiert mit Epoxidharz, einige Exponate sind schon gelungen. Sieht man die Seniorin hantieren, kommt einem Walt Disneys Daniel Düsentrieb in den Sinn.

12.12.2024 :: Gertrud Lehmann (glh)