Rare Spezies in der Literatur und in der Landwirtschaft

Rare Spezies in der Literatur und in der Landwirtschaft
Tom Turtschi mag es bodenständig, doch wenn er seine Geschichten schreibt, hebt seine Fantasie ab. / Bild: Christina Burghagen (cbs)
Trubschachen: Seit zehn Jahren reist Tom Turtschi schreibend in die Zukunft. Seine Kurzgeschichte «Don’t be evil» wurde jüngst mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet.

Was passiert, wenn sich künstliche Intelligenz mit der Kriegsmaschinerie verbindet? Allein der Gedanke lässt nichts Gutes erahnen. Doch Tom Turtschi lässt in seiner Kurzgeschichte «Don’t be evil» (Sei nicht böse) nicht nur diesen Gedanken zu, sondern gibt sich seiner Fantasie hin, inspiriert von den technologischen Fortschritten der Gegenwart. «Es ist nicht die Aufgabe von Science-Fiction-Autoren, die Zukunft vorauszusagen, sondern zu lügen», sagt Turtschi gelassen. Science-Fiction sei die am meisten vernachlässigte Literaturform, ähnlich wie der historische Roman. Das lässt vermuten, dass sich ein Grossteil der Buchlesenden lieber mit der Gegenwart als mit Vergangenheit und Zukunft abgeben mag. Doch der Science-Fiction-Club Deutschland mit Sitz in Wetzlar, wo sich auch die einzigartige «Phantastische Bibliothek» mit über 300’000 Titeln befindet, pflegt dieses Genre aktiv und verleiht jedes Jahr den Deutschen Science-Fiction-Preis. Im Frühsommer durfte der Trubschacher Tom Turtschi nun per virtueller Verleihung den 1. Preis für seine Kurzgeschichte entgegennehmen und freute sich natürlich über die Anerkennung seiner Arbeit und das Preisgeld. 

Vielseitige Projekte

Der Absolvent der Kunstgewerbeschule wurde 1964 in Biel geboren. Zusammen mit seiner Frau Regula Turtschi stiess er Mitte der 1990er-Jahre das Unternehmen «Hof3« an, das sich im Emmental als gastrono-mischer Betrieb und Open-Air-Kino einen Namen machte. Der Gastro-nomie als Energiefresser hat das Ehepaar den Rücken gekehrt. Dafür wuchsen auf dem Bauernhof-Areal andere Projekte wie die Szenografie-Agentur mit mehreren Mitarbeitenden, die sich mit dem Gestalten von Erlebniswelten im weitesten Sinne befasst. Auch 30 Hühner, 20 Schafe, acht Katzen, sieben Enten, sechs Bienenvölker und ein Permakulturgarten mit 35 Specie-Rara-Apfelsorten, den Regula Turtschi bewirtschaftet, gehören zum Anwesen mit 300-jährigem Bauernhof. «Es kann ja nicht sein, dass vier Apfelsorten den Schweizer Markt beherrschen, wenn es hierzulande rund tausend davon gibt», erklärt Turtschi. 

Zukunftsmusik in Romanform

Das ist die bodenständige Seite des 56-Jährigen. Doch wenn er sich ins Schreiben vertieft, hebt seine Fantasie gleichzeitig ab. Seine Schreibzeit liegt in den frühen Morgenstunden. Ab und zu gönnt er sich eine Woche im Simmental, um sich ganz der Science-Fiction-Literatur hinzugeben. Die genial hirnspinstigen Geschichten entstehen nicht im Handumdrehen. «Ich sammle Zeitungsartikel und Plots, doch bis zur fertigen Geschichte vergehen nicht selten ein paar Jahre», verrät der Autor. Nicht nur Kurzgeschichten stammen aus seiner Feder. Nach dem Roman «Eniwetok – Die Flucht» im Jahr 2017 ist letztes Jahr sein neues Werk «Gotteszone – Die Reise ins Licht» auf den Markt gekommen. Diese Zukunftsmusik in Romanform handelt von krankhafter Hyperreligiosität, von der man lange nicht weiss, ob Fanatismus oder ein Parasit dafür verantwortlich ist. Tom Turtschi brennt für die Themen Menschsein und Kulturentwicklung: «Meine Geschichten sind Experimentieranordnungen, um in die Zukunft zu blicken. Das ist meine Art, die Gegenwart zu beleuchten.» 

01.10.2020 :: Christina Burghagen (cbs)