Darf ich vorstellen? Das sind Tasso und Teddy. Wer kann da Nein sagen. Die Berner Sennenhund-Welpen sind zum Knuddeln – kein Wunder ist die Nachfrage seit Ausbruch der Pandemie stark gestiegen. / Bild: Anne-Käthi Flükiger (akf)
Emmental/Entlebuch: Junge Hunde als Krisenbewältigung? Durch die Pandemie wollen sich immer mehr Menschen einen Welpen anschaffen. Je schneller, desto besser. Doch sollte ein Hundekauf gut überlegt sein. Eine artgerechte Hundehaltung bringt einen grossen Aufwand mit sich.
Für Vera Wenger, Hundezüchterin aus Röthenbach, sind Berner Sennenhunde eine Leidenschaft. Momentan leben bei ihr auf dem Hof drei ausgewachsene Sennenhunde und ein Wurf aus sieben Wochen alten Welpen. Für sie ist klar: «Ich betreibe meine Zucht aus Liebe zum Berner.» Leider gibt es aber auch andere Beispiele. So veröffentlichte «20 Minuten» vor einigen Tagen einen Bericht über einen Hundezüchter aus dem Emmental, der seine Berner Sennenhunde als Reproduktionsmaschinen brauche und unter kläglichen Umständen halte. «Wenn ich solche Bilder sehe, könnte ich weinen», sagt Vera Wenger. Doch nicht nur der Artikel an sich löst bei der leidenschaftlichen Hundezüchterin Trauer und Entsetzen aus. «Den Medien ging es nur um den Skandal.» Durch diesen Bericht werde der gesamte Klub für Berner Sennenhunde (KBS) ins schlechte Licht gerückt, obwohl der angesprochene Züchter nicht einmal Mitglied des Klubs sei.
Pandemie steigert Nachfrage
Doch nicht nur Berichterstattungen zu Tierschutzverletzungen, sondern auch ein romantisiertes Bild von Hundehaltung trete momentan vermehrt in den Medien auf. Erst kürzlich wurde im Fernsehen eine Sendung zum Thema der Krisenbewältigung gezeigt. Einem unter der Pandemie leidenden Mann half die Anschaffung eines jungen Berner Sennenhundes. Tatsächlich habe diese Sendung auch bei Vera Wenger zu einer deutlichen Nachfragesteigerung geführt. «Schon vor der Coronakrise hatte ich jeweils viele Anfragen, doch momentan werde ich damit überhäuft.» So erhalte sie zurzeit auch Anfragen aus Spanien, Belgien, Holland und Österreich.
Vermehrt werden Hunde importiert
Das zunehmende Bedürfnis vieler Menschen, einen Hund halten zu können, ist auch Yvonne Jaussi bekannt. Die Tierärztin in Langnau ist Präsidentin des Arbeitskreises Zucht, Verhalten, Tierschutz (AKZVT) der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG). «Seit dem Start der Pandemie ist die Nachfrage nach Hunden definitiv gestiegen», bestätigt sie. An und für sich wäre dies kein Problem, doch die Menschen seien oftmals zu ungeduldig. Um einen Hund aus Schweizer Zucht zu bekommen, dauert es meistens eine Weile. «Die Leute wollen aber in vielen Fällen nicht warten und lassen sich dann einen Hund importieren», erklärt die AKZVT-Präsidentin das Problem. Natürlich gebe es auch gute ausländische Züchter, doch vielfach würden die importierten Hunde aus sogenannten Hundefabriken stammen. Weiter sagt Yvonne Jaussi: «Diese Hunde sind meist schlecht sozialisiert und können sich nicht an unsere Gesellschaft anpassen.»
Hunde züchten, nicht fabrizieren
Hier in der Schweiz könne und wolle man nicht «Hunde fabrizieren», nur um die Nachfrage so schnell wie möglich zu decken. Dies weiss auch Vera Wenger: «Hinter einer guten Zucht steckt weit mehr als viele Menschen ahnen.» Nicht nur Arbeit, Herzblut und Zeit steckt die Züchterin aus Röthenbach in ihre geliebten Tiere, auch erhebliche Kosten sind mit dem Züchten verbunden. Als Mitglied der SKG und KBS hat Vera Wenger etliche Vorschriften einzuhalten. Dazu gehören unter anderem das Röntgen und Chippen der Welpen, aber auch regelmässige Gentests und Blutanalysen, um die Lebenserwartung der Berner Sennenhunde zu erhöhen.
Romantisierte Vorstellung
Weiter sei es vielen Menschen gar nicht bewusst, was es alles brauche, um einen Hund grossziehen zu können. «Viele sehen die knuddeligen Welpen und glauben, dass sie mit dem Hund kuscheln könnten und sich ihre Probleme damit in Luft auflösen würdern», erklärt Vera Wenger. Es sei für sie unverständlich, dass Leute glauben könnten, einen Berner Sennenhund beispielsweise in einer Zwei-Zimmer-Wohnung aufziehen zu können. «Ein solcher Hund braucht neben sehr viel Liebe und Aufmerksamkeit und eine geeignete Umgebung. Wenn der Berner ausgewachsen ist, macht er gerne lange Spaziergänge.»
Die Züchterin ist froh, die Käuferinnen und Käufer für ihre geliebten Welpen selbst auswählen zu können. «Wegen den widrigen Umständen der Coronapandemie wollte ich fürs erste Kennenlernen zwischen den interessierten Käufern und den Welpen alle Sicherheitsmassnahmen einhalten. So müssen die Besucher einen PCR-Test vorweisen und eine Maske tragen. «Die Welpenkäuferinnen und Käufer haben diese Massnahmen akzeptiert», erklärt Vera Wenger, die dies als gutes Zeichen sieht.
Nun können die jungen Welpen aus Röthenbach schon bald zu ihren neuen Besitzerinnen und Besitzer umziehen.