Joel Wicki – ein Hoch auf den neuen Schwingerkönig

Joel Wicki – ein Hoch auf den  neuen Schwingerkönig
Den Kranz auf dem Kopf, den Muni an der Hand: Joel Wicki nach dem grössten Triumph seiner Karriere. / Bild: Barbara Loosli (blo)
Sörenberg: Der Sieg im Schlussgang gegen den Emmentaler Matthias Aeschbacher macht Joel Wicki zum Schwingerkönig – und die Menschen daheim in Sörenberg stolz. Ein Besuch.

Die Strasse hinauf nach Sörenberg hat viele Kurven. Sie führt durch diverse Tunnel –  und seit Sonntagabend auch vorbei an zwei Dutzend Transparenten. «König Joel», «Bravo Joel!» oder «Wir sind stolz auf dich», steht in grossen Buchstaben auf Leintüchern, Siloballen, Holzplatten und Wirtshaustafeln. Vielleicht sind es sogar mehr als zwei Dutzend.

«Die Leute sind sehr, sehr stolz. Und es ist wunderbar, wie sie ihren Stolz zeigen», sagt Carolina Rüegg, die Direktorin von Sörenberg Flühli Tourismus. Gefühlt tausend Leute aus der ganzen Schweiz hätten im Verlaufe des Montags im Tourismusbüro angerufen, um sich zu erkundigen, wann der Empfang für den neuen Schwingerkönig stattfinde (Antwort: Am Mittwochabend, nach Redak­tionsschluss dieser Zeitung).

Carolina Rüegg fieberte am Wochenende vor dem Fernseher mit. «Während des Schlussgangs war ich so aufgeregt, ich hatte viermal fast ein ‹Härzchriesi›», sagt die gebürtige Bündnerin. Die Anspannung sei noch grösser gewesen als 1976, als sie als Mädchen mitverfolgte, wie ihr Bündner Idol Heini Hemmi zu Olympiagold im Riesenslalom fuhr.


Der ehemalige Lehrer

Guido Bucher ist Medienchef des Innerschweizer Schwingerverbandes und arbeitet hauptberuflich als Schulleiter von Flühli-Sörenberg. Als Lehrer unterrichtete er seinerzeit auch Joel Wicki. «Joel ist ein Willensmensch», sagt der 62-Jährige. Er erzählt, wie Wicki schon als Bub immer besser werden wollte, wie er verkündete: «Ich will Schwingerkönig werden.» Bucher erinnert sich noch gut, wie er dem jungen Joel auf dem Pausenplatz erwiderte: «Dann musst du dir aber Dünger in die Schuhe streuen, damit du noch etwas wächst.»

Ja, der neue König ist für Schwingerverhältnisse nicht übermässig gross und schwer. Dafür ist er mental so stark wie nicht viele andere. Guido Bucher sagt: «Wenn es einmal nicht läuft, sucht er die Schuld nicht bei den andern, sondern beginnt bei sich.» Die Dankbarkeit, die Demut, der Respekt vor den Gegnern – die Gefühle, die Wicki in den Interviews nach dem grossen Triumph gezeigt habe, die seien echt.


Die Freunde

Seine Freunde, die ihn bereits seit der Schulzeit kennen, sind sich deshalb sicher: Joel Wicki wird auch nach dem grossen Triumph nicht abheben, wird jener Joel bleiben, mit dem man gemütlich bräteln oder etwas trinken gehen kann. Mit dem man über die Tiere, den Bauernbetrieb, die Maschinen reden kann. Und über alle anderen Dinge, die einen grad beschäftigen. Jener Joel auch, der für die andern da ist, wenn sie ihn brauchen. Und natürlich umgekehrt.

Die vier Freunde, die samt Partnerinnen oft mit Joel Wicki im Ausgang sind,  fieberten am Wochenende auch in der Arena in Pratteln mit. «Während dem Schlussgang mussten wir den Feldstecher weglegen, derart gezittert haben wir», berichtet einer aus der Clique. Umso ausgelassener sei die Freude danach auf der Innerschweizer Tribüne und in den Festzelten gewesen. «Das ging ab – abartig», sagt der junge Mann, der nicht mit Name in der Zeitung genannt werden möchte. «Schliesslich geht es nicht um mich.» Hier ist sie wieder, die Demut, die die Sörenberger auszeichnet.

Der Besuch im Dorf des neuen Schwingerkönigs geht langsam zu Ende. Vorher kauft man im Dorfladen noch ein Stück Käse ein. Auf der Verpackung das Bild des neuen Königs. Und die Aufschrift: «Stark wie de Wicki.»

01.09.2022 :: Markus Zahno (maz)