Die Autorin Gerlind Martin und die Herausgeberin Regula Zähner (rechts) mit ihrem Werk. / Bild: zvg
Langnau: Heute sind in unserem Land noch mehr als 650 Weberinnen und Weber aktiv. Einige betreiben das uralte Handwerk als Hobby, andere produzieren Gebrauchsware und ein paar wenige weben veritable Kunstwerke.
Flauschig und fein, weich oder hart, elastisch oder steif, dick oder dünn sind die Materialien, welche die 14 Weberinnen und Weber verwenden, die im Buch «Alle Fäden in der Hand» von sich, ihrem Leben, und ihrer Arbeit erzählen. Die Mehrheit der Texte schrieb die Journalistin Gerlind Martin. Mit ihr, und der Herausgeberin des Buches, Regula Zähner, hat sich die Schreibende zu einem Gespräch getroffen. Die beiden Frauen haben sich über lange Zeit mit diesem Kunsthandwerk, und den Menschen, die es ausüben, befasst. Dabei ist das jetzt vorliegende Buch entstanden.
Zahlreicher Nachwuchs
Regula Zähner ist Präsidentin des Textilforums Schweiz, dem Verein der Weberinnen und Weber. Wenn sie Zeit findet, webt sie auch selber. Die Idee für ein Buch über das Weben in der Schweiz kam ihr bei einem Studienaufenthalt in einer Webschule in Vermont/USA, wo sie auf ein Buch über die Geschichte des Webens in der Region stiess. Wieder zu Hause, begann sie zusammen mit der Journalistin Gerlind Martin Weberinnen und Weber zu besuchen und zu befragen. «Wir begannen bei den Ältesten, kamen aber immer mehr zu den Jungen. So ergaben sich mit der Zeit Porträts von aktiven Webenden zwischen 20 und 90 Jahren, 13 Frauen und ein Mann», sagt Regula Zähner. Sie zeigt sich überrascht, dass der Nachwuchs so zahlreich ist, obschon sich mit dem Weben oft schwer Geld verdienen lässt. Alles rund um den Webstuhl prägt das Leben der Schaffenden, und immer steht dies im engen Zusammenhang mit den ökonomischen und sozialen Möglichkeiten. Reich wird niemand dabei. «Textile Billigware drückt auf die Preise in der Schweiz», sagt Zähner. «Früher war das anders: Im 19. Jahrhundert webte die Schweiz günstige Stoffe für das Ausland, und liess sich von den dortigen Mustern inspirieren.»
Weites Spektrum
Neben der industriellen Stoffproduktion hat das Handweben in der ländlichen Schweiz eine lange Tradition. Junge Frauen webten ihre Aussteuer selber: Bettwäsche, Küchentücher, Tischdecken, Schürzen, Tag- und Nachthemden und Unterwäsche. Im Laufe der Zeit erweiterte sich das Spektrum. Von den Textilien aus kratzigem Hanf und Leinen begannen die Weberinnen zunehmend, sich Schönem, Farbigem zuzuwenden. Beim Besuch der zahlreichen Ateliers und Webstuben sind die Vielfalt und Farben der Materialien auch Regula Zähner, Gerlind Martin und der Fotografin Lisa Schäublin aufgefallen. Und die Schönheit der Gewebe die den Wunsch wecken, mit der Hand darüber zu streichen um zu spüren, wie sie sich anfühlen.
Technischer Beruf
Weben heisst nicht, einfach das Schifflein durch die Zettelfäden zu werfen. Weberinnen und Weber betreiben ihr Kunsthandwerk mit Leib und Seele, mit Händen und Füssen, und mit dem Kopf. In diesem werden Flausen und Ideen zu Projekten. Vor der Arbeit mit den Fäden, muss gerechnet, geplant und gezeichnet werden, am Computer oder auf Papier. Dann gilt es, Farben und Fäden zu wählen, zu bestellen, Latten und Schnüre bereit zu legen, mit Geduld und Ausdauer den Webstuhl einzurichten. Beim Betrachten der Bilder von Therese Oppliger aus Hasle – der einzigen Emmentalerin im Buch – ist es für Laien unvorstellbar, wie man beim Weben die unzähligen Fäden im Blick behalten kann. Für Therese Oppliger, die ihr Leben lang gewebt hat, war das kein Problem. Sei es ein Chuchitüechli, eine Trachtenschürze oder ein kunstvoller Wandteppich, die an einem ihrer 14 Webstühle entstanden – sie hielt alle Fäden in der Hand, bis sie mit 93 Jahren loslassen musste, nachdem sie ihr ganzes Leben der Weberei gewidmet hatte.