Es ist einer dieser herbstlichen Mittelmeermorgen. Wir haben wie jedes Jahr nochmals Wärme und Weite gesucht – dieses Mal in Split, der geschichtsträchtigen Stadt in Südkroatien. Das fahle Morgenlicht vertreibt die letzten Spuren der Nacht – eine Bierdose, die Glassplitter billiger Spirituosenflaschen, der gähnende Kellner eines Strassenkaffees und das Geräusch der Gartenstühle, die unter dem unsanften Zurechtrücken auf dem Kalksteinpflaster ächzen. Nein, Kaffee gibt es noch keinen, erst um zehn, brummt der Kellner. Also folgen wir dem verblichenen Schild, das uns den Weg zum nächsten Bankomaten weist. Und was für ein Bankomat! Er ist an der Muschelkalkmauer eines Juweliergeschäfts angebracht, zwischen den Säulenstümpfen des Mausoleums von Kaiser Diokletian und den Kapitellen des Kirchenportals. Wir vergessen Pincode und Geld und stehen durchaus etwas irritiert vor dem mächtigen Gebäude: Was ist das nun eigentlich? Ist es der mächtige Diokletianspalast und daneben das Mausoleum, mit dem sich der damalige römische Kaiser, einer der grössten Christenverfolger, ein Denkmal über diese Zeit hinaus setzen wollte? Aber nein, es ist doch eher eine typische christliche Kirche, schliesslich gibt es ein klassisches Kirchenportal und einen eleganten Turm, der sich ans Mausoleum schmiegt. Wir schlendern staunend an den eleganten Säulen des ehemaligen Diokletianspalastes vorbei und kommen in den hellen Kirchenraum – oder wie Sie wollen, ins Mausoleum. Ein barocker Altar, daneben die mütterliche Marienstatue mit Kind, Heiligenskulpturen aus Marmor und an der Decke Szenen aus der griechischen Sagenwelt. Der keulenschwingende, muskulöse Herkules, römische Gottheiten und siegreiche Helden und daneben der Gekreuzigte und Auferstandene. Ein Kind in Windeln gewickelt und der Kampf der Titanen. Der Kreuzweg und die Krönung des römischen Kaisers. Eine christliche Kirche, gebaut auf dem Fundament des grössten Christenverfolgers? Wir blicken durch das runde Loch in der Decke des Mausoleums hinaus in den herbstlichen Mittelmeerhimmel und sind uns einig: Davon hätte unsere Welt noch viel mehr nötig.