Blick ins Sternenmeer

Blick ins Sternenmeer
Besitzt in Dürrenroth seine eigene Sternwarte: Martin Streckeisen. / Bild: zvg
Dürrenroth: Prägend für das Jahr 1969 war die erste bemannte Mondlandung. Martin Streckeisen war damals 15-jährig und sofort fasziniert von der Astronomie. Seit zwölf Jahren hat er seine eigene Sternwarte.

Martin Streckeisen erinnert sich, dass er vor 55 Jahren in einer Sternwarte durch ein Teleskop den Jupiter beobachtet hat; darauf wollte er unbedingt ein eigenes Fernrohr. Seither scheint eine halbe Ewigkeit vergangen zu sein. Was er gleich relativiert: «Die Distanzen im Universum sind enorm. Die nächste Galaxie ist zwei Millionen Lichtjahre entfernt.» Das bedeute, dass ein Lichtstrahl zwei Millionen Jahre lang zu uns unterwegs gewesen sei.


Sternwarte mit Führungen

Sein Wissen hat sich der pensionierte Lehrer (70) aus Büchern und durch Gleichgesinnte angeeignet. Anfänglich habe er sich kleine Fernrohre gebaut und unter Anleitung einen Teleskopspiegel geschliffen. Die Ansprüche seien stetig gestiegen, etliche Geräte kamen dazu. Dank der chinesischen Massenproduktion seien sie erschwinglich. Ein mittelgrosses Fernrohr mit 15 Zentimetern Spiegeldurchmesser, Stativ und Montierung erhalte man für unter 1000 Franken.

Vor zwölf Jahren baute er sich im Garten eine Sternwarte. Nach und nach lud er vermehrt Interessierte zu Himmelsbeobachtungen ein. Mit Führungen begann er vor anderthalb Jahren für Schulklassen der Grundschule Dürrenroth anlässlich einer partiellen Sonnenfinsternis. Seit letztem Jahr bietet er sogar öffentliche Führungen an. Der Zeitpunkt müsse stimmen, dankbar seien auch Beobachtungen des halb vollen Mondes, erklärt Steckeisen. Weiter zeige er jeweils Planeten, vor allem den Jupiter mit den Monden und den Saturn mit seinen Ringen. «Die Krater und Berge des Mondes sieht man, als würde man über die Alpen fliegen, und die Planeten als ausgedehnte Scheiben oder Kugeln, bei klarer Sicht sogar mit Oberflächendetails.» Nebst der Sternwarte mit dem Teleskop und einem Bildschirm für simultane Fotoaufnahmen steht eine Art kleines Planetarium mit einem drehbaren Arm, mit dem er die Mondphasen, Mond- und Sonnenfinsternisse und den Wechsel der Jahreszeiten veranschaulichen kann.


Was bedeutet eigentlich «Jetzt»?

Er wolle den Gästen die Wunder des Universums näherbringen und sie zu eigenen Beobachtungen anregen. «Mich fasziniert an der Astronomie die Schönheit der Himmelsobjekte. Es ist eine gewisse Erhabenheit, die man schon von blossem Auge und vor allem durch einen starken Feldstecher mit Stativ verspürt. Andererseits ist es das Grenzwertige, die unglaubliche Entfernung oder die unvorstellbare Temperatur.»

An dieser Stelle darf etwas abgeschweift werden. Fast philosophisch werde es, wenn man sich frage, was «Jetzt» bedeute. «Ist die Welt so, wie sie jetzt aussieht, oder sehen wir alles etwas verspätet? Schliesslich brauchen die Lichtstrahlen ja Zeit, um zu uns zu gelangen», gibt Martin Steckeisen zu bedenken. Vollends abenteuerlich werde es, wenn man sich das Licht, die Lichtteilchen, die sogenannten Photonen, anschaue. «Diese bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit (300´000 Kilometer pro Sekunde) durch den Raum. Darum vergeht für sie keine Zeit, was von Astrophysikern schon 1938 bewiesen wurde. Sie sind gleichzeitig dort und hier. Gilt die Zeit der Photonen oder die von uns Erdbewohnern?»


Unterschiedlich altern

Solche Gedanken seien die Grundlagen für die Relativitätstheorie Albert Einsteins, der zu dieser Zeit in Bern lebte. «Er bewies 1905, dass es keine allgemein gültige Zeit gibt. Je nachdem, wie schnell man sich bewegt, verstreicht sie unterschiedlich schnell.» Die Theorie habe sich immer wieder bestätigt. «Präzisionsuhren von Astronauten, die mit hohem Tempo um die Erde gekreist sind, hinken nach ihrer Landung auf der Erde etwas hinterher. Die Uhren in der Raumkapsel sind langsamer gelaufen und die Astronauten sind effektiv etwas langsamer gealtert als wir auf der Erde. Wären sie mit annähernd Lichtgeschwindigkeit um die Erde gerast, dann wären die Astronauten noch viel jünger geblieben.»

Martin Streckeisen erzählt, dass die Namen der Sternbilder und der Planeten auf die alten Griechen und ihre Sagen zurückgehen. Und die Araber seien im Mittelalter die führenden Astronomen gewesen. «In Europa war zu dieser Zeit, unter dem Einfluss der katholischen Kirche, keine freie astronomische Forschung möglich, deshalb haben die meisten Sterne arabische Namen.»


Belichtungsdauer entscheidend

Ist Streckeisen in seinem Observatorium, dann beobachtet und fotografiert er Himmelskörper von weit ausserhalb des Planetensystems. Damit meint er Kugelsternhaufen mit tausenden von Sternen auf engem Raum, glühende Gasnebel, aus denen neue Sterne entstehen, oder die Milchstrasse, unsere «Heimatgalaxie». Aber auch andere Galaxien, also die riesigen Welteninseln mit jeweils hunderten von Milliarden Sternen. «Diese Objekte sind sehr lichtschwach, weshalb man mit der Kamera mehrere Minu-ten belichten muss. Dazu gehört auch eine gute Nachführung des Teleskops, damit die Sterne oder Nebel in der Kamera auch an Ort bleiben.» Für die Beobachtenden am Teleskop liege das Problem darin, dass diese nebulösen Objekte am Okular meist nur als schwacher grauer Fleck erkennbar seien. «Auf den Fotos, die lange Zeit belichtet werden, erstrahlen sie aber in allen Formen und Farben.»

30.05.2024 :: Remo Reist (rrz)