Zumbühl macht Schule

«Und, geniesst du den Ausblick auf die Deppenschmiede?», fragt jemand hinter mir. Auf meinem Spaziergang bin ich am Schulhaus vorbeigekommen und kurz am Zaun stehen geblieben. Die Stimme scheucht mich aus meinen Gedanken. Ich drehe mich um. Da steht Zumbühl, den kennen Sie nicht, ich schon. An der Leine hält er seinen greisen Terrier. «Sälü Zumbühl. Das ist aber eine sehr unschöne Bezeichnung. Die Schule ist doch ein Ort des Lernens, wo Respekt, Wertschätzung und Toleranz gelebt werden, wo gemeinsam, lebensnah und mit dem Menschen im Fokus wichtige Kompetenzen gelehrt und geübt und so die Grundsteine für eine erfolgreiche Zukunft gelegt werden, wo?...» «Hast du ein Leitbild gefressen, Heiniger?», unterbricht mich Zumbühl. «Du hast doch auch mitgekriegt, wie die Goofen landauf, landab vor den Sommerferien in den Schulhäusern gewütet haben. Oder liest du etwa keine Zeitung? Vandalismus vom Gröbsten! Das kannst du mit deinem pädagogischen Gutmenschengeschwafel nicht schönreden, dass da etwas gehörig schiefläuft.» «Ja, das sind bedauerliche Vorfälle. Da musste sich wohl angestauter Schulfrust entladen. Vielleicht war es auch eine Art kleine Revolution, ein Aufbäumen gegen die herrschenden Verhältnisse. Ein guter Anlass für die Schulen, sich Gedanken zu machen, was man verbessern könnte.» «Träum weiter, Heiniger! Das Einzige, was bei der Geschichte rauskommt, ist, dass das Hauswartsteam mehr Arbeit hat. Es soll ja sogar welche geben, die solchen Blödsinn als Tradition hochhalten. Komplett hälä, hälä! Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Das Leben wird sie schon lehren. Trotz der Schule ist bisher noch aus den meisten etwas geworden. Dich und mich eingeschlossen, Heiniger.» «Hmm», sage ich. Etwas Schlaueres fällt mir gerade nicht ein. «So, ich muss dann mal. Wir haben noch einen Termin, der Charly und ich. Die bieten in der Hundeschule jetzt Seniorenkurse an.» Und an seinen Hund gewandt: «Gell, du Intelligenzbestie, du kleiner Einstein, du.» Der Terrier starrt unbeteiligt und mit heraushängender Zunge das Mäuerchen zum Fahrradunterstand an. Zumbühl bückt sich und krault den zerzausten, weisshaarigen Kopf des Tiers, dann richtet er sich ächzend wieder auf. «Lernen im Alter, Heiniger, würde dir auch nicht schaden. Also dann.» Er tippt mit dem Finger an die Hutkrempe, wendet sich ab und geht die Strasse hinunter. Ich höre noch, wie er zu seinem Hund sagt: «Was meinst du, Charly, pissen wir nachher noch an den Zaun der Hundeschule, du und ich? Das wär lustig, gell.»

15.08.2024 :: Peter Heiniger