Kürzlich lag ich bei offenem Fenster im Bett und las, während draussen die Beizengäste plauderten. Irgendwann seufzte ein Mann zufrieden auf und meinte: «So, mau hei ga wohne». Ich liess das Buch sinken und dachte: Der Typ spricht zu mir! Dieser Satz ist die Antwort auf meine Sinnfrage des Agenda-Jahres 23/24! Seit ich im vergangenen August aufgrund eines Bauchgefühls ins Emmental gezogen bin, kreisten meine Gedanken um die Frage, was ich in diesem Langnau, meiner alten Heimat, eigentlich tat. Mein Körper war zwar hier, doch mein Geist mäanderte durch aller Herren Länder, auf der Suche nach dem Ort, an dem ich mich wieder ganzheitlich zuhause fühlen könnte. Auch nach Monaten war ich meilenweit vom Ankommen entfernt, obwohl ich mir der besänftigenden Wirkung meiner neuen, alten Umgebung sehr wohl bewusst war. Dieses satte Grün überall, es raubte mir von Langnau bis Tägertschi den Atem. Die Luft: so klar, dass ich die Details der Tannenspitzen auf dem übernächsten Hügel ausmachen konnte. Und diese Erinnerungen überall. Stieg mir der Geruch von frischgemähtem Gras in die Nase, verschlug es mich gedanklich sofort auf den Bauernhof, auf dem wir in den 90ern die legendärsten Partys gefeiert haben. Lag ich in der Badi, fielen mir unsere verbotenen Einstiege ein. Und damit eine besonders denkwürdige Szene, in der meine Freundin und ich uns während eines Mitternachtsbades schworen, dass uns nichts je entzweien würde – auch nicht die Tatsache, dass wir beide in den Kollegen verliebt waren, der uns da gerade um die Beine schwamm. Ich trumpfe seit Wochen mit solchen Anekdoten auf und lüge nicht, wenn ich von der Schönheit der hiesigen Natur schwärme. Gleichzeitig begann ich in meiner Entrücktheit, nach einer Logik in meinem Umzug zu suchen. Was total sinnlos war, da mich weder ein Traumjob noch die Sehnsucht nach den Wurzeln herlockten. Nicht einmal mein Ehemann lebt hier! Zum Trost biss ich mich also wie eine ungesättigte Zecke an Dingen fest, die mich in meiner alten Heimat erfüllt hatten: meine Bubble, Museen, der Rosengarten, volle Kulturkalender, Thai-Massagen, Tramfahrten und ein Bahnhof, an dem man auch sonntags Paracetamol kriegen kann. Ich pendelte mir einen ab, bis ich müde war und dieser unbekannte Beizengast meinen Fokus mit einem Satz auf das richtete, was ich hier tue. Und zwar gern. Etwas, was in der Stadt vor lauter Ablenkung viel zu kurz kam und hier ganz automatisch möglich wurde: einfach mal heim wohnen gehen. Punkt.