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Die Radiomoderatorin

Als Kind wollte ich zuerst den Beruf der Floristin, dann der Drogistin und zum Schluss noch der Radiomoderation erlernen. Nun ich bin Verkäuferin von Tonträgern geworden, Clownin, Klangtherapeutin, Slampoetin, Betreuerin, Ehefrau, Gotti, Tante, Schwägerin, Schwiegertochter, schwierige Tochter und beste Freundin. Auch die Floristin ist durch meinen Garten tiptop do it yourself abgedeckt. Dank diversen Leiden habe ich auch die Drogistin erfüllt, da ich beinahe jedes Globuli auf lateinisch und deutsch benennen kann. Ich habe also ziemlich alles umgesetzt, was mir als Kind vorschwebte. Nur um eine habe ich einen weiten Bogen gemacht. Und büsse es nun mit einem schlimmen Preis. 

Ich wurde niemals Radiomoderatorin. Ja, ich habe zwar früher mit dem Kassettenrekorder Songs auf Kassetten aufgenommen und sie angesagt und langsam ausblenden lassen. Ich habe Interviews mit Freunden und Familie geführt. Meistens durften sie sich selber sein. Ab und zu jedoch mussten sie in die Rolle eines Promis schlüpfen und mir Rede und Antwort stehen. Aber dann habe ich die Ton-Spur der Radiomoderatorin komplett verlassen. Das war ein Fehler! Die Radiomoderatorin hat sich nämlich heimlich trotzdem in mein System geschmuggelt und sich als miserable Nachrichtensprecherin getarnt, die mich vor jeder Eventualität warnt. Täglich leiert sie mit monotoner Stimme, was in mir und auf der Welt gerade aktuell Schlimmes passiert und wie schlimm noch alles werden wird. Sie leiert Kriegsszenarien und Streitigkeiten, Konflikte von Nahost bis Nebenan. Sie knallt mir eine Schlagzeile nach der anderen um die Ohren. Sobald mal etwas schöne Melodien durch meinen Kopf klingen möchten, verkündet sie mir Staumeldungen oder Unfälle, innere Blockaden und den Totalschaden! Natürlich behauptet diese Nachrichtensprecherin auch, dass ihre Neuigkeiten und Altlasten auf wissenschaftlich geprüften Fakten beruhen und daher auch der Wahrheit entsprechen würden. Sie ist so negativ und so niederschmetternd, dass ich mir nun ganz fest ein Praktikum wünsche bei irgend einer Radiostation! Nur, um die Nachrichten einmal aufs Minimum zu begrenzen und mit schöner, warmer Stimme ins Mikrofon zu frohlocken: «Einen wunderschönen guten Morgen, machen sie sich keine Sorgen.» Und dann mit einem einzigen Klick in Dauerschleife «Oh happy Day» abzuspielen und dabei mit vollem Stimmvolumen und offenem Mikrofon mitzusingen, somit die Vibes in jedes Auto, jeden Haushalt und jedes Büro schwingen. In diesem Sinne: Oh happy Day!

31.10.2024 :: Fabienne Diessel-Krähenbühl