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Über Rechtfertigungen und ihre Banalität

Ich sage euch, mit dieser Kolumne werde ich anecken. Aber wisst ihr was? Das ist mir egal.

Denn, ich bin schliesslich niemandem Rechenschaft schuldig. Hahaha – da sind wir bereits beim Thema.

Mir fällt auf, dass Rechtfertigungen in vielen Bereichen normal geworden sind. Und manchmal ertappe ich mich selbst dabei. Ich suchte lange nach Ausreden, wieso ich neben dem Spitzensport gerade nicht arbeite oder studiere. Wieso? Weil ich immer wieder zu spüren bekommen hatte, dass in der Schweiz ein Plan B dazugehört. Dass man immer ein Backup braucht. Dass Sport nicht alles ist und, dass man im Falle des Rücktritts in ein Loch fällt. Und ja, das kann passieren. Vielleicht bin ich ja naiv, aber ich habe mich nach der KV-Ausbildung, dem Aufschreiben von Berufswünschen nach der Sportkarriere, einigen Weiterbildungen, langem Überlegen und dem Schreiben von Kolumnen ;-) dazu entschieden, mich nicht mehr zu rechtfertigen. Jung bin auch ich nur einmal und ich lerne unglaublich viel bei dem, was ich jetzt mache. Backups sehe ich mehrere, bei denen ich schnell und mit viel Leidenschaft einsteigen könnte. Ich mache
das jetzt zu 100 Prozent und mit aller Energie. Da hat kein «eigentlich mache ich sozusagen theoretisch gerade ‹nur› Profisport» Platz. 

Dann ist da noch das: «Trinksch du gar ke Alkohol? Auso, wägem Sport?» Wie oft ich diese Frage schon gehört habe. Nein, nicht wegen des Sports. Das mag vielleicht mit ein Grund sein. Aber vielmehr weiss ich, dass ich das nicht brauche und den Feierabend oder das Fest genauso gut geniessen kann – und im Nachhinein sogar noch davon weiss! Dass auf der Welt alle zwölf Sekunden ein Mensch an den direkten Folgen des Alkoholkonsums stirbt und Familien zerstört werden, lassen wir mal vorne weg – aber ja, Snowboardcross ist mega gefährlich! Und nein, ich bin nicht für ein Verbot und ich halte auch nicht Leute vom Trinken ab. 

Aber wieso bin ich entweder krank, schwanger, ein Freak oder eben die verbissene Sportlerin, wenn ich im Ausgang Wasser trinke oder meinen Mate ohne Wodka geniesse? Und wieso wird der Konsum von Bier und Wein derart bagatellisiert, praktisch nur mit Genuss, Geselligkeit, Entspannung und Feierlichkeiten verbunden? Was das Nervengift wirklich anstellt, scheinen die wenigsten zu realisieren oder viele zu ignorieren – obwohl man es den Kindern schliesslich niemals geben würde. Aber jä nu, Hauptsache ein paar Stunden Judihui und Trallala und Zugehörigkeit.

«I bi e Böösi, gäuet?»

21.11.2024 :: Sina Siegenthaler