Keine fixen Durchlässe für Amphibien bei der sanierten Kantonsstrasse

Keine fixen Durchlässe für Amphibien bei der sanierten Kantonsstrasse
Projektleiterin Tanja Koch packt beim Aufstellen des Amphibienzauns jeweils mit an. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Wiggen: Schon bald werden wieder Amphibienzäune entlang der Kantonsstrasse aufgestellt. Fragt sich, weshalb im Rahmen der Sanierung der Kantonsstrasse keine Durchlässe eingeplant wurden.

Sobald im Frühling die Temperaturen in der Nacht wenig über der Nullgradgrenze liegen und es feucht ist, suchen Grasfrösche, Erdkröten und Molche ihre Laichplätze auf. Nicht selten ­müssen sie dazu Strassen überqueren. Weil die Tiere oft in grossen Zügen unterwegs sind, drohen sie zu Hunderten überfahren zu werden. An vielen dieser Zugstellen in der Schweiz betreiben Freiwillige temporäre Schutzanlagen. Sie stellen Zäune auf, vergraben Eimer und tragen die gefangenen Tiere über die Strasse. So geschieht es seit 2020 auch jedes Jahr in der Längmatte in Wiggen. Die Amphibien verlassen ihre Winterquartiere und wandern zu den Laichgewässern im Gummental. «Am 22. Februar werden wir die Zäune aufstellen», sagt Tanja Koch, Projektleiterin Natur und Landschaft bei der Unesco Biosphäre Entlebuch (UBE). Ob dies auch in den kommenden Jahren noch möglich sein werde, wisse sie nicht. Es werde immer schwieriger, genügend Helferinnen und Helfer zu finden. Zum einen, um den Zaun aufzustellen, zum andern, um während eineinhalb Monaten morgens und abends die gefangenen Tiere über die Strasse zu tragen. «Zum Glück kann ich bis jetzt auf ein treues Kernteam von mehrheitlich Pensionierten und einigen jüngeren Per­sonen zählen. Nachwuchs wäre sehr willkommen.» Vor allem die Kontrollgänge seien schwierig abzudecken.


«Verpasste Gelegenheit»

Für Unverständnis bei den Freiwil­ligen und auch bei ihr sorgt, dass im Rahmen des Sanierungsprojekts der Kantonsstrasse (siehe Kasten) keine Durchlässe für Kleintiere entstehen. «Das wäre doch eine gute Gelegenheit gewesen, um das Problem zu lösen», sagt Tanja Koch. Obwohl es sich in Wiggen um eine kleinere Zugstelle handle, würden pro Jahr zwischen 70 und 400 Tiere gerettet. Der Kanton motiviere sie stets, weiterzumachen. Aber sein Engagement beschränke sich vor allem darauf, das Material zur Verfügung zu stellen und ein Zvieri zu finanzieren. Die Projektleiterin kritisiert, dass im Naturschutz immer noch so stark auf Fronarbeit von Freiwilligen gesetzt wird.


Warum keine Durchlässe?

Matthias Kaiser, Projektleiter Artenförderung bei der kantonalen Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa), ist überzeugt, dass man die Amphibien in Wiggen nicht ihrem Schicksal überlassen kann. Dazu seien es zu viele. Dass beim Strassenprojekt keine Durchlässe eingeplant worden seien, habe mehrere Gründe. «Die zuständige Fachstelle erhielt erst im Jahr 2018, und somit nach Planungsbeginn, konkrete Hinweise auf überfahrene Amphibien.» Doch selbst wenn man schon von Anfang an davon gewusst hätte, wäre man aufgrund der Amphibienzahlen und Wandersituation zu keinem anderen Schluss gekommen, als mit temporären Zäunen zu arbeiten, sagt Kaiser. «Die Massnahmen müssen zielführend, umsetzbar und verhältnismässig sein.» Die Kosten für eine Amphibienschutzanlage mit Durchlässen seien hoch. Je nach Länge könnten es rasch 200´000 Franken und mehr sein. Mit einem einzelnen Durchlass sei es selten gemacht, idealerweise habe man alle 25 Meter einen, erklärt Kaiser. Dazu kämen bauliche Leitelemente, welche die Tiere zum Tunnel führten. «Generell muss eine solche Anlage gut geplant werden, damit sie dann auch genutzt wird.» Insbesondere müsse die Richtung, in welche die Amphibien im Frühling wanderten, klar sein. Das sei in Wiggen auch nach mehrjähriger Untersuchung nicht der Fall. Dort habe man unterschiedliche Zugrichtungen festgestellt.


Zusätzliche Laichgewässer

Matthias Kaiser ist froh, dass es bisher in Wiggen gelungen ist, genügend Freiwillige zu finden, um die temporäre Anlage zu betreiben. «Sollte dies nicht mehr möglich sein, würde die kantonale Naturschutzfachstelle zusammen mit dem lokalen Team nach Lösungen suchen.» Vielleicht sei es möglich, auf Berner Seite Freiwillige zu finden, sagt Kaiser. Weiter werde geprüft, im Schärligtal zusätzliche, geeignete Laichgewässer zu erstellen. «Damit könnte man versuchen, die Wanderbewegung zu verändern und die Situation zu entschärfen.» Vielleicht wären dann die Zäune entlang der Kantonsstrasse nicht mehr nötig.

Der Stand der Arbeiten

Die Kantonsstrasse wird im Abschnitt Wiggen bis Grenze Kanton Bern für 15,7 Millionen Franken saniert und ausgebaut. Momentan werde vorwiegend in der Längmatte gearbeitet, sagt Stefan Vogel, Projektleiter bei der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur. Es seien dies vor allem Betonarbeiten für die neue Längmattbrücke sowie Wasserbauarbeiten. Die neue Brücke, welche rund 100 Meter flussabwärts gebaut wird, bedingt eine neue Linienführung der Strasse. Diese Arbeiten könnten ausserhalb der heutigen Fahrbahn stattfinden, so Vogel. Die Arbeiten im Bereich der bestehenden Strasse mit der Verkehrsführung mittels Lichtsignalanlage gehen ab Februar 2025 weiter. Die Hauptarbeiten dauern bis Ende 2027.

06.02.2025 :: Silvia Wullschläger (sws)