Angekettet an einem «Tütschi» – wie einst das «Hudi Eiseli»

Angekettet an einem «Tütschi» –  wie einst das «Hudi Eiseli»
Konolfingen: Das längst vergriffene Buch «Chonolfinger Gschichtli» von Adolf Gerber erlebt eine Wiedergeburt – dank des Engagements des «Verein alter Bären».

Schmunzeln auf den Gesichtern, als Thomas Herrmann von  der Druckerei Herrmann AG in Langnau das erste druckfrische Buch aus der Tasche zog und den Initianten Werner Weber, Magdalena Rieben sowie Willi Blaser vom Verein Alter Bären übergab. Der Grund der besonderen Aufmerksamkeit: Das Buch war an ein Holztütschi gekettet, wie zeitweise das Verdingkind «Hudi Eiseli», von dessen Schicksal im Buch «Chonolfinger Gschichtli» zu lesen ist. «Ds Hudi Eiseli», wie auch die weiteren acht Geschichten sind nicht etwa erfunden. Der 1884 geborene Autor Adolf Gerber forschte in alten Gemeinderatsprotokollen und Chorgerichtsmanualen. So entstanden einzigartige Einblicke in das Leben und Wirken früherer Generationen. «Erstaunlich, wie genau er recherchierte», meint Werner Weber, der Projektleiter. Man wisse zwar nicht mehr, wo sich all die alten Unterlagen befänden, aber Weber entdeckte zufälligerweise eine Kopie des Kaufvertrages vom «Niemeli», einem Wäldchen aus dem Buch. «Ich habe den Text sofort wiedererkannt».

Bezug zu heute

Obwohl das Leben damals anders war, muten einige Details aus den Geschichten modern an. So kommt es in der Geschichte «Dr erscht Rang im Güeterrödeli» zu Streitereien zwischen zwei Bauern. Der eine Kontrahent baut in der Folge einen hohen Zaun entlang seines Landes, um seinen Nachbarn und dessen Tiere fernzuhalten. öl ins Feuer schüttet ein Dritter, der aus Rache immer wieder neue Gerüchte streut.
Es sind nicht nur die Geschichten, die einen an längst vergangene Tage mahnen. Fritz Rysers Bleistiftzeichnungen und das urtümliche Berndeutsch machen das Buch authentisch. Die ideale Lektüre für geschichtlich Interessierte, Nostalgiker und solche, die mehr über ihre Wurzeln erfahren wollen. Denn viele der Namen sind echt. So hat der heutige Gemeindepräsident Daniel Hodel eine Urahnin, die in der Geschichte von «Hudi Eiseli» eine Rolle spielt. «Davon habe ich erst vor Kurzem von Werner Weber erfahren», erzählte Daniel Hodel den Zuschauern.
Einige Schüler der Abschlussklassen des Oberstufenzentrums Stockhorn traten bei der Buch-Vernissage als Band «The Birds» auf und umrahmten den vergnüglichen Abend mit selber geschriebenen Songs.
Die jüngste Enkelin von Adolf Gerber, Regula Gerber, trug mit ihrer Bassgeige das ebenfalls selbst komponierte Lied «Ds Hudi Eiseli» vor. Melancholische Klänge, unterbrochen mit munterem Jodel gaben Eiselis Gefühlswelt gekonnt wieder.

Die Bibel und ein Gläschen Härdöpfeler

Regula Gerber hat ihren Grossvater Adolf Gerber nie gekannt. Dafür erinnert sich ihre ältere Cousine Renate Lutz-Gerber noch gut an ihn. «Er war sehr lieb zu uns Grosskindern.» Mutter Edith Gerber, Schwiegertochter von Adolf und bereits über 90 Jahre alt, ergänzt: «Viel gesagt hat er nicht, aber wenn er etwas sagte, dann das Richtige.» Der preisgekrönte Autor musste immer wiede Schicksalsschläge hinnehmen. So starb seine erste Frau Gertrud bei der Geburt des zweiten Sohnes. Später heiratete Adolf Gerber Johanna, Gertruds älteste Schwester. Den beiden wurden noch drei weitere Kinder geschenkt. Ein Sohn, der mit 23 Jahren an Kinderlähmung starb, eine Tochter, die nur sechs Wochen alt wurde und dann noch Susi, Zerebral gelähmt und sein Liebling. Ihr widmete Adolf die «Chonolfinger Gschichtli», die er 1947 herausgab. Fünf Jahre später starb der Schriftsteller im Alter von 69 Jahren. «Wie, das ist auch noch so eine Geschichte», erzählt Edith Gerber: Eines Abends, im Juli 1953, nach einer Kirchenchorprobe machte er es sich mit der Bibel und einem Gläschen des damals eigentlich verbotenen «Härdöpfelers» auf dem Sofa bequem. Seine Frau wunderte sich, warum er nicht ins Bett kam, ging nachschauen und fand ihn tot auf dem Sofa sitzend vor.


Das Buch ist erhältlich bei der Papeterie Wyss, Konolfingen, bei der Satz + Druck Herrmann AG, Langnau oder über www.chonlfinger-gschichtli.ch.
16.06.2016 :: Rebekka Schüpbach (srz)