Oberburg: Zum ersten Mal, seit der Künstler Luciano Andreani das stilvolle «Resteli» am Bahnhof Oberburg gekauft hat, darf man sehen, wie er darin lebt und arbeitet.
Das ehemalige Restaurant Bahnhof in Oberburg sieht aus wie ein altes Schlösschen, und die hohen Bäume rundum geben ihm vollends eine mystische Ausstrahlung. Kommen rätselhafte Zierden und Skulpturen hinzu und ein «Fremder», von dem man nicht mehr weiss, als dass er Künstler sei. Da stand Oberburg vor einem Rätsel. Doch nun öffnete sich die Tür, und man durfte den Künstler und seine Werke kennenlernen.
Nasse Begrüssung Wer nicht aufpasste, bekam zur Begrüssung eine kalte Dusche. Am Eingangstor zum Garten wachte nämlich das wasserspeiende «Piss-Paar», und kaum glaubte man sich im Trockenen, pinkelte ein kleiner Speiteufel, der aus einem Eimer am Brunnenrand guckte, einem unversehens ans Bein. Das mächtige Windweib liess derweil seine rostige Haarpracht flattern und vor der Eingangstür hielten der schwarze «Türsteher» und der gehörnte «Blaue Bruder» mit dem «Platzhirsch» Wacht. Dazwischen, an kleinen Tischchen, liessen es sich zahlreiche Besucher gut gehen, während ein hünenhafter Mann mit Brille bekannte und unbekannte Gäste herzlich begrüsste: Luciano Andreani.
Totentanz als Kasperlitheater Im Atelier, dem ehemaligen «Säli» des Restaurants, waren die prachtvolle Decke und die Wände mit den Werkzeugen verhangen. Da lernte man nun die unterschiedlichsten Ausdrucksformen des Künstlers kennen. Vorab ein Kasperlitheater, das auf Knopfdruck zwei Skelette zu fröhlicher Musik tanzen liess. Kein Wunder, waren die jungen Ausstellungsbesucher davon fasziniert und drückten und drückten den Knopf immer wieder, bis er streikte. Andreani eilte zu Hilfe, ohne zu schimpfen. Dann waren da Zeichnungen, die in Serie Geschichten von Jagd und Leidenschaft erzählten, manche wohl nicht ganz jugendfrei. «E chli bluetrünstig», meinte eine Betrachterin. Hinter der Wand hatte die aus Besen und Bürsten zusammengesetzte Putzfrau endlich Feierabend und machte, die Kippe im Mundwinkel, mit getigerten Stöckelschuhen auf elegant. Daneben spielte ein Kokosteppich mit Teppichklopfer «Gitarre» und zwei Taburettli, die sich ein Bein teilen mussten, erinnerten an Mani Matters «Hansjakobli und Babettli».
Rund ums Velo Nun durchquerte man die ehemalige Garderobe, wo der Spruch «Auch beim Kegeln gibt es Regeln» an frühere Zeiten erinnerte. Da hing des Künstlers Rennvelo an der Wand und daneben Zeichnungen eines radfahrenden Teufels und eines Schweins, beide detailgetreu mit Schwänzchen. Anspielungen an Charaktere von Champions? Oder an Qualen bei steilen Passfahrten?
In der guten Stube Beim Eintritt in die «Gaststube» bemerkt man erstaunt, dass angesichts von Ofen, Sofa, Ständerlampe und Holztisch hier die gute Stube des Künstlers sein muss. Da hängt die Velosattel-Galerie, die Andreani aus ausrangierten Velobestandteilen erschaffen hat. Auch eine Sammlung bunt bemalter Kartonteller ziert eine Wand. Und man entdeckt Skizzen und Modelle, sogenannte «Maquetten», von Skulpturen im Garten: Les Demoiselles d’Avignon und das Windweib. Was auch immer man betrachtete und dabei sinnierte, was der Erschaffer damit wohl sagen wolle, so spürte man seinen augenzwinkernden Schalk und eine Prise Ironie.