«Der Lochbach war die Basis der P-26»

«Der Lochbach war die Basis der P-26»
Dieses Haus am Lochbach 4 wurde von der P-26 genutzt. Gleich dahinter befindet sich das Armeelogistikcenter. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Oberburg: Die Geheimorganisation P-26, die 1990 aufflog, hatte ihr erstes Hauptquartier im Lochbach. Dies schreibt der Schriftsteller Peter Beutler im Buch «Der Bunker von Gstaad».

«Oberburg war in den Anfängen der P-26 von grosser Bedeutung, was wenig bekannt ist. Nachdem die Geheimarmee im Frühling 1990 aufgeflogen ist, war immer nur von der Kaverne unter dem Hotel Palace in Gstaad die Rede», erzählt Peter Beutler. Jemand aus seinem Bekanntenkreis habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass die P-26 auch im Lochbach in Oberburg einen geheimen Bunker betrieben habe. Beutler begann zu recherchieren. Seine Erkenntnisse liess er in seinen Kriminalroman «Der Bunker von Gstaad» einfliessen. 


Peter Beutler, das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) bestreitet, dass sich im Lochbach in Oberburg ein Bunker befindet (siehe Kasten). Weshalb sind Sie von dessen Existenz überzeugt?

Es gibt viele Indizien, die darauf hindeuten. Bei meinen Recherchen stiess ich auf den Artikel von Urs Paul Engler in der «Weltwoche» vom 18. Juli 1991 «Wir sind wieder da und jetzt in Lochbach erreichbar». Derselbe Autor enttarnte übrigens kurz zuvor den Kommandanten der P-26, Efrem Cattelan. Zur Anlage in Oberburg, deren Eingang sich in einem unscheinbaren Haus befindet, schrieb er: «Von der Liegenschaft Lochbach 4, die aufgrund der Entlüftungsschächte über ein weitverzweigtes Untergrundsystem verfügt und der Eidgenossenschaft gehört, kommandierte ‹Rico› sein P-26ler».Rico war der Tarnname von Efrem Cattelan. Einige Jahre nach dem Zeitungsartikel gab es Berichte, dass in den Bunker eingebrochen worden sei, man vermutete von Jugendlichen. «Weil sie alte Telefonapparate mitlaufen liessen, wurde die Tat bald bemerkt», hiess es damals «aus armeenahen Kreisen».  


Das sind aber alles Belege aus zweiter Hand.

Die später bestätigt wurden. An einer Lesung in Oberburg nach Erscheinen meines Buches kam ich mit einem Offizier, der zwischen 1970 und 2000 in der Armee diente und aus Oberburg stammt, ins Gespräch. Ihm seien in den
1980er-Jahren die Lüftungsschächte aufgefallen. Aus der Anordnung der Schächte hat er geschlossen, dass es sich um einen grösseren Bunker handeln muss. Damit waren die Aussagen Englers bestätigt. Ein anderer Offizier a. D. sagte mir, um 1991 sei es ihm gelungen, die Anlage zu besichtigen. In der grossen Höhle seien drei zweistöckige Armeebaracken aufgestellt gewesen. 


Handelt es sich dabei nicht um eine andere Militäranlage in Oberburg, die besser dokumentiert ist? Die K2 in der Steingrube? 

Tatsächlich gab es dort in einer Sandsteinhöhle eine weitere geheime Militäranlage, den Kommandoposten 2. Dieser wurde aber nie ausgebaut und auch nie genutzt. Er wurde zurückgebaut und dem ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben. Dazu gibt es aus dem Jahr 2004 ein militärisches Plangenehmigungverfahren. Alle erwähnten Indizien und die Recherchen beziehen sich aber auf den Lochbach.


Was denken Sie, wie gross die Anlage gewesen sein könnte?

Aufgrund der erwähnten Baracken kann man von einer Grösse von 40 Meter Breite, 80 Meter Länge und zehn Meter Höhe ausgehen, Platz genug für eine Kompanie, also ungefähr 150 Mann. Es muss auch Wasser, Stromanschluss und sanitäre Einrichtungen gegeben haben. 


Welche Rolle spielte das Haus Lochbach 4, das von der P-26 genutzt wurde, was auch das VBS bestätigt?

Das Gebäude liegt unmittelbar neben dem Eingang zum Armee-Motorfahrzeugpark. Das Haus war die Basis der P-26. Eine Hälfte wurde um- und ausgebaut, die andere Hälfte war normal bewohnt. Vom Haus führte ein Stollen in den unterirdischen Bunker. Darin befand sich in der Anfangszeit das Hauptquartier der P-26, bis dieses dann nach Gstaad verlegt wurde. 


Wie lange nutzte die P-26 diesen Standort?

Sie wurde bis 1990, bis zur Auflösung der P-26, genutzt, nach 1982 wohl aber nicht mehr als Hauptquartier, aber immer noch als bedeutende Anlage. Fest steht, dass Cattelan bis zur Enttarnung 1990 dort gesehen wurde.


Wussten die Behörden von Oberburg oder die Bevölkerung von der
Anwesenheit der P-26?

Bis zum Auffliegen der P-26 im Frühjahr 1990 wusste wohl kaum jemand in Oberburg und Burgdorf über diese Geheimorganisation Bescheid, geschweige denn von dieser Anlage. Sie steht übrigens auf Burgdorfer Boden, obwohl sie sich im Oberburger Schachen, in der Nähe des Bahnhofs, befindet. Es herrschte natürlich strikte Geheimhaltung. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

«Der Bunker von Gstaad», Peter Beutler, Emons Verlag 2019, 336 Seiten.


Mischung aus Fiktion und Dokumentation

Peter Beutler wurde am 12. September 1942 in Zwieselberg im Berner Oberland geboren. Zusammen mit seiner Frau lebt er heute in Beatenberg. Der Chemiker und Gymnasiallehrer ist seit 2007 im Ruhestand und betätigt sich seitdem als Schriftsteller. 

Beutler ist Mitglied der SP. Er sass von 1995 bis 2007 im Luzerner Kantonsrat. Später war er vier Jahre Gemeinderat von Beatenberg. 

«Der Bunker von Gstaad» ist sein zehnter Kriminalroman. Seinen Büchern liegen stets wahre Begebenheiten zugrunde, sie sind eine Mischung aus Dokumentation und Fiktion. Beutler nimmt zu jedem «Fall» umfassende Recherchen vor, die wichtigsten Quellen führt er in den Bücher jeweils auf. 

Bereits hat Peter Beutler sein nächstes Werk in Arbeit. Es geht um einen Giftmord, der 1926 in Burgdorf geschehen ist. Auch Langnau wird in dem Buch eine Rolle spielen. Die Vorfahren von Peter Beutler, der Heimatort Trubschachen hat, stammen von dort. Das Buch wird im Januar 2021 erscheinen.

Die P-26: Fichenaffäre brachte sie ans Licht

1979, mitten im Kalten Krieg, begann die Armeeführung im Einvernehmen mit dem damaligen Vorsteher des EMD (heute VBS), Bundesrat Chevallaz, ein neues Konzept zu erarbeiten. Es diente der Vorbereitung des Widerstandes, falls die Schweiz besetzt worden wäre. «Endziel des Widerstandes ist die Wiederherstellung der schweizerischen Souveränität in rechtsstaatlicher Freiheit in den heutigen Grenzen», stand im Grundlagendokument, von dem der Bundesrat nicht Kenntnis erhielt. Zur Erreichung dieses Zieles befahl der Generalstabschefs die Schaffung einer Organisation, die er mit «Projekt 26» oder kurz «P-26» bezeichnete. Die Identität deren Chefs war nur einem kleinen Personenkreis bekannt, der Bundesrat gehörte nicht dazu. Am 28. November 1990 enttarnte der «Weltwoche»-Journalist Urs Paul -Engeler den Mann mit dem Decknamen Rico: Efrem Cattelan.

Die Organisation wies einen Bestand von rund 400 Personen auf. Im Falle einer Besetzung sollten weitere Personen rekrutiert werden, um aus der Kaderorganisation die eigentliche Widerstandsorganisation aufzubauen. Die P-26 verfügte in verschiedenen Teilen der Schweiz über grösstenteils unterirdische Anlagen. 

«Potenzielle Gefahr»

Im Zuge der Fichenaffäre flog die P-26 Ende der 1980er-Jahre auf. Am 12. März 1990 beschlossen die eidgenössischen Räte, eine parlamentarische Untersuchungskommission einzusetzen, die PUK EMD. Diese kam zum Schluss, dass eine geheime, mit Waffen und Sprengstoffen ausgerüstete Organisation, eine potenzielle Gefahr für die verfassungsmässige Ordnung darstelle, wenn sie von den verfassungsmässigen politischen Behörden nicht auch faktisch beherrscht werde. «Die PUK EMD muss feststellen, dass diese faktische Beherrschung der Organisation P-26 durch die oberste Landesbehörde nicht gegeben ist.» Die Gefahr eines Missbrauches durch Selbstaktivierung bestehe. 

Die historische Dimension

Der Bundesrat nahm am 23. November 1990 Stellung zum Bericht der PUK EMD. Dabei ging er auch auf die historische Dimension ein und auf das Spannungsfeld zwischen Geheimhaltung und Öffentlichkeit: In Zeiten der Bedrohung steige die Akzeptanz der Geheimhaltung, während in Zeiten der Entspannung die Transparenz stärker gewichtet werde. «Diese historische Dimension und die Tatsache des Kalten Krieges sind in die Würdigung der Geschehnisse im Umfeld der Widerstandsorganisation unbedingt einzubeziehen», hielt der Bundesrat in seinem Bericht fest. 

Schliesslich gelangte er zum Schluss, dass andere Anliegen der Sicherheits- und Militärpolitik gegenüber der Vorbereitung des Widerstandes im Besetzungsfall Priorität hätten. Er hat deshalb die Auflösung der Widerstandsorganisation beschlossen.

Quellen: Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK EMD) vom 17. November 1990; Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission EMD vom 23. November 1990.

Das sagt das VBS zum «Bunker von Oberburg»

Seit wann besteht im Lochbach Burgdorf/Oberburg eine militärische Anlage?

Das Areal Burgdorf, das heisst die heutige Aussenstelle des Armeelogistikcenters (ALC) Thun, ist das Gelände des in den 1960er-Jahren gebauten ehemaligen Armeemotorfahrzeugparks (AMP) Burgdorf.


Wie wird diese heute genutzt?

Das Logistik-Areal dient bis heute weiterhin dem Unterhalt, der Wartung und der Lagerung von militärischen Fahrzeugen.


Wie lautet die Stellungnahme des VBS zur im Buch von Peter Beutler erwähnten Bunkeranlage, die von der P-26 genutzt worden sei? 

Es gab in Burgdorf weder früher noch heute eine Bunkeranlage, die von der P-26 genutzt wurde. Von der P-26 wurde das Haus Lochbach 4 genutzt.


Gehört dieses Haus dem VBS?

Ja. Es handelt sich um ein Wohnhaus, das in den letzten Jahren an Privatpersonen vermietet wurde.

16.07.2020 :: Silvia Wullschläger (sws)