Ein Blick aus anderer Perspektive auf das verborgene Emmental

Ein Blick aus anderer Perspektive  auf das verborgene Emmental
Margit Oswald präsentierte ihr Buch im «Löchlibad». / Bild: Kathrin Schneider (skw)
Obergoldbach: Margit E. Oswald schreibt in ihrem Buch «Verborgenes Emmental» von ihren Wanderungen in ihrer neuen Heimat. Und wie sie das Vertrauen deren Einwohner gewann.

An der Vernissage im Restaurant Löchlibad treffen sich an diesem warmen Sonntagabend im August viele gute Bekannte der Autorin. Die gebürtige Deutsche kam vor 24 Jahren in die Schweiz und trat in Bern eine Stelle als Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Bern an. Wohnhaft war sie die ersten acht Jahre in einem Bauernhaus in der Gemeinde Walkringen. Heute sind sie alle gekommen – ehemalige Nachbarn, gute Freunde aus der Zeit in Walkringen und Kollegen aus der Uni-Zeit. Und natürlich Bewohnerinnen und Bewohner des Seggergrabens, eines kleinen, steilen Seitentals des Bigenthals. Hier ist Margit Oswald lange und oft gewandert, mal allein, mal mit ihrem Hund Leona oder auch mit Kollegen und Freunden von nah und fern. «Im Lauf der Jahre habe ich mir dieses Tal ein bisschen erobert», sagt sie. Sie habe Beziehungen aufgebaut und sich dadurch einen Weg der Integration erschlossen.

Wege, die sich verzweigen

«Darf man das überhaupt, als Deutsche ein Buch über einen Teil des Emmentals schreiben?», hat sich Margit Oswald zuerst gefragt. Ob das nicht dreist sei? Aber schnell habe sie gemerkt, dass die fremde Perspektive auch ihr Gutes habe und sich Mitwanderer für «ihr» Tal begeistert hätten. 

Margit Oswalds Bauernhaus, in dem sie damals wohnte, liegt auf der westlichen Seite des Bigenthals, unterhalb Walkringen, in Richtung Burgdorf. «Wenn ich aus dem Fenster des neu umgebauten Hauses schaute, blickte ich auf der anderen Seite des Tals in den Segger, der fast rechtwinklig ins Tal des Biglebachs mündet.» Und dieser Seggergraben war es, den sie in langen Wanderungen erforschte und querte. Zahlreiche Auf- und Abstiegswege enthalte er, schreibt sie. «Gleich zu Beginn gibt es vier Verzweigungen, um nach oben auf die Höhe bei Brandiswald und Hammegg zu gelangen.» Jeder dieser Wege verzweige sich jedoch seinerseits noch mehrere Male, je weiter man nach oben komme. Einen befahrbaren Weg durch den Segger gibt es übrigens nicht, nur einzelne Hofzufahrten, entweder von oben oder von der Talseite her.

Persönliche Begegnungen

Was für Einheimische vertraut und wenig spektakulär aussieht, wird plötzlich durch die andere Perspektive zum Besonderen. Gewohnte Flurnamen wie der Chabisrain, der Brandiswald, das Haslerloch oder der Rueppisberg wirken auf einmal spannend und laden zum Erkunden ein. Genau so gerne stöbert man im Buch, das man übrigens nicht in einem Stück lesen muss, sondern einzelne Kapitel herauspicken kann.

Ganz besonders berühren im Buch Margit Oswalds Begegnungen mit drei Bewohnern des Seggergrabens, die alle auch an der Vernissage anwesend sind. Aus zufälligen Begegnungen auf ihren Wanderungen konnte sie mit der Zeit Vertrauen «in die Fremde» aufbauen. Als typische Vertreter des Emmentals habe sie dann drei Personen für das Buch ausgewählt. «Res Gehrig, der im Schützer aufgewachsen und zeitlebens dort gewohnt hat.» Der begabte Handwerker habe seine Zurückhaltung erst nach mehreren Jahren verloren. Oder Elsy Jungi, die als junge Frau aus der Welschschweiz mit ihrem Mann herzog und auf dem Sattler ihre neue Heimat fand; im Haus mit Plumpsklo, das erst 1992 mit fliessendem Wasser versorgt wurde. Die Frau lebt nun seit mehr als neun Jahren alleine in ihrem abgelegenen Haus. «Wenn es ihr zu langweilig wird, geht sie auf den Dachboden und spielt das Handörgeli», erzählt Margit Oswald. 

Auf Entdeckungsreise gehen

Auf ihren Wanderungen ist Margit Oswald immer auch im «Löchlibad» eingekehrt, wo sie mit der Wirtin ins Gespräch kam. Johanna Schwab stammt ursprünglich aus dem Seeland und ist seit 1994 Wirtin im «Löchlibad». Nach einem harten Start sei sie mittlerweile akzeptiert und stehe für eine unabhängige, starke und weltoffene Frau. Es war also kein Zufall, dass die Vernissage des Büchleins dort stattfand. In den Räumen der alten Beiz, die in der Gemeinde Landiswil liegt, fühlt man sich dem Emmental nahe. Und wer auf dem Heimweg den Blick über die Hügel gegen die Berge schweifen lässt, möchte die Wanderschuhe schnüren und selber auf Entdeckungsreise gehen. Vielleicht in den Segger.


Das Buch «Verborgenes Emmental» (Fr. 18.–) ist erhältlich bei der Druckerei Herrmann AG, Langnau, Telefon 034 409 40 00, oder im emmentalshop.

20.08.2020 :: Kathrin Schneider (skw)