Pedro Lenz las in der Bibliothek für das Publikum zuhause. / Bild: zvg
Langnau: Kultur trotz Corona? Es fanden sich neue Wege, der Digitalisierung sei Dank. Der Mundart-Autor Pedro Lenz las vergangenen Donnerstag aus seinem Buch «Primitivo».
Die deutschsprachigen Regionalbibliotheken des Kantons Bern spannten zusammen und mit Videoübertragung aus der Kornhausbibliothek fand die Lesung von Pedro Lenz überall gleichzeitig statt – auch Langnau war zugeschaltet.
Rund 160 Personen sassen um punkt halb acht vor den Bildschirmen in der guten Stube; es gab keine Möglichkeit, den Anlass später anzuschauen, keine Aufzeichnung wurde gemacht. Trotz der räumlichen Distanz verstand es Pedro Lenz, das Publikum von Beginn weg in seinen Bann zu ziehen. Man fühlte sich sofort zu Hause in der Geschichte um die Freundschaft zwischen dem 17-jährigen, schlaksigen Maurerlehrling Charly und seinem spanischen Arbeitskollegen Primitivo. In drei Leseblöcken liess Pedro Lenz mit seiner Hommage an das «Büezertum» die Zuhörerinnen und Zuhörer teilhaben am Leben und Sterben auf einer Baustelle im Oberaargau der 1980-er-Jahre.
Wie im echten Leben
Der erfahrene und weitgereiste Gastarbeiter Primitivo nahm Charly unter seine Fittiche, erklärte im die ungeschriebenen Gesetze der Baustelle, diskutierte mit ihm über Gott und die Welt, brachte ihm Literatur nahe, philosophierte. Charly bewunderte und verehrte Primitivo. Nun war er tot, erschlagen von einem Schalungselement.
Die Figuren sprechen und handeln wie im echten Leben, sind humorvoll und voller Tiefgang. Nichts holpert, der Ton ist direkt, herzerwärmend, liebevoll, die Sprache facettenreich und rhythmisch. Die Schauplätze werden beim Namen genannt: die Anlage des Pflegeheims Dettenbühl in Wiedlisbach, die typische Arbeiterbeiz «Sternen» in Langenthal, das Waldfest in Herzogenbuchsee, wo Charly mit seiner Angebeteten Laurence anzubandeln versuchte. Einige Orte gibt es nicht mehr, sie sind älteren Semestern aber noch ein Begriff.
Fragen per Chat gestellt
Andrea Grichting, Leiterin der Stadtbibliothek Burgdorf, führte souverän durch den Abend. Sie gab der Dichterlesung den passenden Rahmen, leitete die von den Zuschauerinnen und Zuschauern im Chat gestellten Fragen weiter.
Im Gespräch berichtete Pedro Lenz – selber ausgebildeter Maurer –, dass er gerne über Dinge schreibe, die er kenne, über das Alltägliche. Er erzählte aus seiner Schreibstube, über das Ringen um die richtige Formulierung, den Rhythmus der Sprache, den Fluss des Textes, über seinen Umgang mit den Medien, seine Kinder, über YB. Man hörte gerne zu, war enttäuscht, als die Zeit um war. Zwar bot der virtuelle Raum keinen gleichwertigen Ersatz für das Ambiente einer realen Lesung, aber mit Pedro Lenz als Gegenüber einen überaus gelungenen.