Von der Maskenpflicht zur Maskerade

Von der Maskenpflicht zur Maskerade
Bei «Katharina Knie» wird das Maskenspiel mit dem üblichen Schauspiel ohne Maske kombiniert. / Bild: Simon Schwab
Moosegg: Die Inszenierung der «Katharina Knie» bedient sich einer der ältesten Theaterformen – des Maskenspiels. Im Gespräch erzählt Regisseur Simon Burkhalter über die Hintergründe.

Simon Burkhalter, wie kamen Sie dazu, Carl Zuckmayers «Katharina Knie» auf die Bühne der Moosegg zu bringen?

Das Stück «Katharina Knie» trage ich schon länger als dichtes, berührendes und witziges Theaterstück mit mir. Die Geschichte einer jungen Frau, die ihr Leben selber in die Hand nehmen will und naiv ihren Weg geht, hart auf dem Boden aufschlägt und vor eine grosse Entscheidung gestellt wird, hat etwas Zeitloses.


Domenico Blass hat jede Menge aktuellen Bezug in seine Bühnenfassung in Mundart eingebaut. Glauben Sie, dass das Kino in den 1920er-Jahren Zirkus und Theater ähnlich bedroht hat wie heute Netflix und andere Streamingdienste das Fernsehen?

Ich glaube, dass Zirkus und die Live-Kultur immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt werden. Zirkus und Theater kann sich immer gegen multimediale Formen durchsetzen. Das Erlebnis für den Zuschauer, dass etwas in Echtzeit geschieht, kann nichts toppen. Bei der Bearbeitung des Stoffs war es Domenico Blass und mir wichtig, einen aktuellen Bezug hineinzubringen. Das Stück spielt vor 100 Jahren, als die Welt von einer grossen Krise und einer Pandemie heimgesucht wurde. Heute sind wir wieder am selben Punkt. Diese Ausgangslage fanden wir sehr passend, um das Stück in einen zeitlosen Rahmen zu setzen.


In der ersten Hälfte der Aufführung tragen viele Schauspielende Vollmaske. Welche Idee steckt hinter dieser ungewöhnlichen Inszenierung?

Als klar war, dass wir spielen wollen diesen Sommer, galt für Amateurtheater: Geprobt werden darf nur mit Mundschutz. Lange sah es so aus, dass dies auch während den Aufführungen verfolgt werden muss, wenn die Darstellenden nicht genügend Abstand halten können. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Theater mit blauen Hygienemasken funktionieren soll.


Sie traten sozusagen die Flucht nach vorne an!

Genau. So kam ich auf die Idee, Larven anfertigen zu lassen. Die Maske wurde zum Konzept. Die Zirkusleute tragen Ganzmasken, werden zu übergrossen Puppen, die Landbevölkerung im Stück sind «normale», unmaskierte Schauspieler. Das Maskenspiel ist eine der ältesten Theaterformen, welche bereits im alten Griechenland gross wurde. Diese Theaterform zu nehmen und mit dem üblichen Schauspiel ohne Maske zu mischen, bot bei der Inszenierung viele neue Möglichkeiten.


Welche technischen Herausforderungen waren zu meistern? Alle Maskentragenden sind ja verkabelt und
sprechen in unsichtbare Mikrofone.

Die Technik ist komplex. Neben den vielen beweglichen Bühnenelementen und dem aufwändigen Licht ist der Ton eine Herausforderung. Das Regenwetter während der Endproben machte das Ganze auch nicht einfacher. Glücklicherweise haben wir einen kompetenten Technikpartner und einen Abendtechniker, die das alles im Griff haben. Neben der Technik war die Herstellung der Ganzmasken aufwändig. Die Schauspielenden wurden in Basel bei einem Larvenmacher in einem 3D-Scanner fotografiert und danach ihre eigenen Köpfe vergrössert gedruckt. Die Maskenbildnerin Marina Keller machte aus den weissen Plastikrohlingen attraktive Masken.


Die Schauspielerinnen und Schauspieler müssen wegen der Maske ihre Körpersprache deutlich einsetzen. Wie liefen die Proben hierzu?

Wir haben von Anfang an mit Ganzmasken geprobt, damit sich schnell das Gefühl für die Bewegung einstellt. Diese Art von Theater ist für die Schauspielenden anspruchsvoll, da man jeden Impuls und jede Emotion in den Körper nehmen und diese nach aussen vergrössert darstellen muss. Ausserdem ist hier die Aussensicht der Regie immens wichtig, da das Gefühl der Spielenden nicht immer mit dem Sichtbaren zusammenspielt.


Was ist die Botschaft von Zuckmayer? Soll man zu seiner Herkunft stehen wie Katharina?

Die Botschaft des Stücks ist für mich nicht einfach. Katharina steht im Konflikt zwischen Herz und Kopf. Am Ende entscheidet sie sich gegen ihr Herz und für eine Dynastie. «Mir sy nid elleini uf dr Wält u es het sech niemer usgsuecht, was er macht. Me darf nid dervoloufe!» Für mich lautet die Botschaft, dass niemand seine Wurzeln verleugnen kann und egal, welche Entscheidungen wir auch immer treffen: Unsere Herkunft wird uns immer wieder beeinflussen.


Das Theaterstück «Katharina Knie» von Carl Zuckmayer wird bis zum 15. August auf der Moosegg bei jedem Wettern gespielt.

08.07.2021 :: Christina Burghagen (cbs)