Hohgant-Schnee zum Frühstück

Hohgant-Schnee zum Frühstück
Gabriel Anwander erklärt, wie sein neues Buch zustande kam. / Bild: Christina Burghagen (cbs)
Langnau: Die Regionalbibliothek lud am vergangenen Sonntag zum «Emmentaler Krimi-Zmorge» ein. Gabriel Anwander präsentierte seinen neuen Kriminalroman «Hohgant».

Der Duft von frischem Zopf und feinem Kaffee durchzog am Sonntagmorgen die Räume der Bibliothek. Doch an der ausverkauften Veranstaltung sollte nicht alles so verdaulich sein wie das Buffet. Denn der Satz: «Meine beste Freundin ist tot» fiel den Frühstücks-Gästen schon bald in den Orangensaft, als Gabriel Anwander ohne abzulesen den Einstieg aus seinem neuen Krimi «Hohgant» vortrug. 

Kurz gesagt taucht im Berner Mittelland reines Kokain auf. Es wird gemunkelt, dass der Stoff aus dem Emmental kommt. Dabei möchte man meinen, die Emmentaler begnügen sich mit Schnaps, Kokain dagegen kennen sie nur aus dem Fernsehen. Doch dann stirbt besagte Frau, und ihre Freundin Lara beauftragt Detektiv Alexander Bergmann mit der Aufklärung. Der ist angesichts seiner miesen Auftragslage erfreut über den Fall. So weit, so spannend. Von gedruckten Krimis kann sich jeder wunderbar distanzieren und sich angemessen und ohne Schaden gruseln. 


Fiktion traf nackte Realität

Die Distanz zu Betäubungswut und Drogensumpf kam den Gästen abhanden, als Anwander seine Recherchen eindrucksvoll veranschaulichte. Er habe an einem speziellen Stadtrundgang in Bern mit einem Führer aus dem Drogen-Milieu teilgenommen und gelernt, wie es im sogenannten «Fixerstübli» zugehe, wo die Menschen einen einigermassen würdigen Ort hätten, wo sie rauchen, fixen oder schnupfen können. So sprach er mit den Mitarbeitenden und fragte sie, wie sie es aushalten, hier zu arbeiten. Diese hätten ihm entgegnet, dass sie gerne hier engagieren: «Hey, das sind Menschen! Sie sind süchtig und das ist eine Krankheit.» 

Als Lebensmittel-Inspektor besuchte Gabriel Anwander Länder wie Indien, Kamerun oder Bolivien. So brachte der Autor verschiedene Produkte an die Lesung mit, etwa feinsten Wild-Kakao, hochwertigen Kapselkaffee und einen Schwarztee der Luxusklasse. Die Preise für diese Genussmittel waren happig, den Vogel schoss die mitgebrachte Tüte Puderzucker ab, die als Kokain herhalten musste. Der Tee kostete 34 Franken pro 100 Gramm, Kokain 60 bis 100 Franken – pro ein einziges Gramm. 

Tonnenweise konsumiert

«Ich will hier nicht politisieren», sagte Gabriel Anwander mit Nachdruck, «sondern euch nur erzählen, wohin mich meine Recherchen geführt haben.» Weiter führte er aus, dass es inzwischen möglich sei, anhand der Kokainrückstände im Abwasser den Konsum einer Stadt zu ermitteln. Demnach würden in der Stadt Zürich täglich 1,7 Tonnen Kokain verbraucht; das entspricht 17´000 Tafeln Schokolade. St. Gallen, Genf, Basel und Bern kämen gleich danach.

Das Publikum frühstückte etwas verhaltener weiter, doch lebhafte Gespräche sprudelten dafür um so mehr. Mit einem Auszug aus dem siebten Kapitel sorgte der Autor für Lese-Appetit: Der Trubschacher Dealer will Lara seine Ware mit dem Namen «Hohgant-Schnee» schmackhaft machen, doch sie faucht ihn an: «Ich hasse den Hohgant, ich bin in Bumbach aufgewachsen...»

Musikalisch reichhaltig beschenkt wurde der «Krimi-Zmorge» von Tom Egger, der sich virtuos mit Akkordeon und Geige durch halb Europa musizierte. Seine gespielte Weltmusik verlieh der Veranstaltung trotz ernstem Thema eine willkommene Leichtigkeit.

04.11.2021 :: Christina Burghagen (cbs)