Sina Siegenthaler in Peking. Bis kurz vor der Abreise war unklar, ob sie am Start des Snowboardcross-Rennens stehen würde. / Bild: zvg
Olypmische Spiele: So zufrieden sah noch selten eine Athletin aus, die den 16. Platz belegte. Für Sina Siegenthaler fühlte sich schon der Start am Olympia-Snowboardcross wie ein Sieg an.
«Ich gebe es zu: Ursprünglich hatte ich mir als Ziel schon ein Diplom gesetzt. Aber dann, mit dem Pfeifferischen Drüsenfieber, meinem Sturz und der daraus resultierenden Knieoperation und kurz vor Abreise noch der Covid-19-Erkrankung, war ich einfach nur happy, überhaupt am Start des Olympischen Snowboardcrosses stehen zu können.»
Mit diesen Worten beschreibt Sina Siegenthaler ihr erstes Olympia-Abenteuer. Wenn man bedenkt, dass die Schangnauerin fast zwei Monate vor Peking 2022 mehr mit der Rehabilitation ihres lädierten Knies beschäftigt war, als überhaupt einmal auf dem Snowboard zu trainieren, so muss man ihre Leistung bis ins Viertelfinale und dem resultierenden 16. Rang sehr hoch einschätzen. «Ich wusste von Anfang an, dass ich haushälterisch mit meinen Kräften umgehen muss», erklärt die 21-Jährige. Während die anderen Fahrerinnen schon nur im Training auf gut zwölf Läufe kamen, traute sich Siegenthaler nur gerade drei Trainingsläufe zu.
Der Viertelfinal als Zugabe
«Ich musste meine Energie bündeln, denn ich reiste mit null Substanz an. Aber mir kam auf jeden Fall entgegen, dass ich den Kurs ja schon im November gesehen hatte und somit habe ich mich aufs Visualisieren konzentriert.» Das hat genützt. Sina Siegenthalers Fahrt im Achtelfinal sah nicht nur von aussen geschmeidig aus; auch die Athletin selber ist zufrieden mit der Fahrt. «Nach dem Achtelfinal bin ich mit einem Riesen-Smile über die Ziellinie gefahren. Seit meiner Verletzung hatte ich erstmals wieder das Gefühl, dass ich richtig auf dem Brett stehe.» Ausserdem sei es ein fairer Lauf gewesen, was im Snowboardcross mit zeitweiligen Rempeleien und Stürzen nicht immer der Fall sei. «Ich hatte wirklich das Gefühl, gut gefahren zu sein und mir das Weiterkommen verdient zu haben.» Den Viertelfinal habe sie dann einfach als Zugabe genossen. Sie habe gespürt, dass nicht mehr genügend Kraft übrig sei, um den nötigen Muskeltonus aufzubauen. Dennoch sei sie auch mit dieser Fahrt zufrieden, so Siegenthaler. «Unter anderen Umständen wäre auch da mehr dringelegen», schiebt sie mit einem Augenzwinkern nach.
Verrückte Geschichten
Was das Programm neben der Piste anbelangt, zeigt sich Sina Siegenthaler ebenfalls positiv überrascht. «Es lief mehr, als ich gedacht hatte. Wir durften sogar andere Wettkämpfe besuchen, uns draussen aufhalten und hatten auch die Möglichkeit, uns mit anderen Athleten auszutauschen.» Was Sina Siegenthaler aber am meisten beeindruckt hat, sind die Geschichten, die Olympia schreibt: «Schon verrückt, was andere zum Teil durchmachen, zum Beispiel der vom Krebs genesene kanadische Snowboarder, der Gold gewann. Oder die 36-jährige Lindsey Jacobellis, die nach ihrem x-ten Versuch endlich die Snowboardcross-Goldmedaille gewinnen konnte.» Diese Geschichten haben die Schangnauerin inspiriert. Die Stimmung vor Ort habe ihr ein paar wirklich prägende Emotionen geliefert. «Die Athleten sind alle wie im Film, um ihre Bestleistung abrufen zu können. Wenn man dann noch die Geschichten und Lebensumstände kennt, die dahinter stecken, kann man wirklich sagen: An den Olympischen Spielen gibt es keine Limits.»
Das Knie hat erste Priorität
Sina Siegenthaler muss sich aber nun dennoch ein wenig limitieren. «Jetzt muss ich zuerst einmal mein Knie in Ordnung bringen. Dann brauche ich einen sauberen Aufbau», erklärt sie. Erst danach könne sie wieder Snowboardcross fahren. Ob es ihr schon für das nächste Weltcuprennen reicht, das in drei Wochen auf der Reiteralm stattfindet, wagt sie noch nicht zu bestätigen.
Auf jeden Fall möchte sie Ende März noch an den Schweizermeisterschaften teilnehmen. Und dann will sich Sina Siegenthaler schon auf die nächste Saison konzentrieren. «Ich will meine körperliche Fitness wieder dorthin bringen, wo ich vor dem Pfeifferischen Drüsenfieber war.» Dafür werde sie auch einige Umstellungen im Trainingsalltag vornehmen müssen.