Michel muss sich für sein unflätiges Verhalten heftige Schelte von Käthi anhören. / Bild: Simon Schwab
Moosegg: Eine Prise Klischee, ein Quäntchen Slapstick, einen Fingerhut Stummfilm und ein Schäufelchen Puppenspiel: Das bietet die quirlige, neue Produktion Michelis Brautschau.
Einen kurzweiligen Theaterspass präsentiert das Freilichttheater Moosegg in diesem Jahr mit dem Stück Michelis Brautschau nach Jeremias Gotthelf. Schon der ehrwürdige Volksdichter legte die Handlung lustig an. Nach der Bearbeitung durch Simon Burkhalter, der selbst in sechs Rollen schlüpft, sprüht die Komödie in deftigem Berndeutsch schier vor Wortwitz, Tempo und Regieeinfällen. «Weil wir nicht wussten, wie die Pandemielage in der Spielzeit aussieht, haben wir fünf Schauspielende eingesetzt, die je vier bis sechs Rollen übernehmen», erklärt Regisseur Burkhalter. Da die Lage vermeintlich gut ist, sind nun noch etliche kleine und grosse Dorfbewohnende dazugekommen. Und es geht tierisch zu …
Wuff, Wuff, Miau …
Da wäre zum Beispiel Sennenhund Bäru, eine zwanzig Kilo schwere Handpuppe, die von Figurenspieler Lukas Schneider geführt wird und ungemein schnuffelecht wirkt. Als Begleiter von Knubel-Jungbauer Micheli (Timo Kobel) scharwenzelt er genial um die Beine seines Herrchens herum. Später streicheln Dorfkinder ihre zwei Katzen, bei denen man zwei Mal hinsehen muss, um zu erkennen, dass sie Puppen sind. Die überleitende Off-Stimme gehört keiner geringeren als der bekannten Schauspielerin Silvia Jost, bei der sich das Publikum fühlt, als ob Grossmutter ein Märchen erzählt. Ebenso zu erwähnen ist die Bühnenmusik via Lautsprecher mit eigenwilligen Klarinetten-Melodien von Bruno Leuschner, Dejan Skundric, Riccardo Parrino und Nayan Stalder, die musikalisch bestens die verzwickten Geschehnisse charakterisieren. Die Live-Musik an der Chilbi übernimmt zudem Dimitrije Simic.
Lieber Würste als Bräute
Micheli begibt sich auf Brautschauen, die seine Ziehmutter Anni (Danièle Themis) mit Hausierer Lumpeludi (Roland Schaffer) ausbaldowert haben. Schweren Herzens hatte Anni dem Ansinnen Michels nachgegeben, heiraten zu wollen. Er sei doch erst 31, jammert sie, was schon die ersten Lacher von vielen aus dem Publikum hervorruft. Zuerst schicken sie ihn zu Bärbeli (Simon Burkhalter) und Vrenli (Sarina Wälti). Die Bauersleut´ haben mächtig Emmentaler Spezialitäten aufgefahren, um den reichen Jungbauern zu beeindrucken. Für viel mehr interessiert sich Michel denn auch nicht und nimmt zum Schluss die Würste für seinen Hund mit. Die Töchter sind empört. Auch das Treffen mit Käthi (ebenfalls Sarina Wälti), einer wortgewandten Jungbäuerin mit roten Zöpfen, geht in die Hose, weil Michel zu spät kommt und sich wie ein Holzkopf benimmt. Auf dem Stuhl stehend bewirft sie ihn wütend mit ihren Einkäufen. Dann wäre da noch Augustine (Wälti), die Städterin, die sich schon an der Chilbi in ihn verliebt hatte und eine Ohnmacht vortäuschend in seine Arme sank. Doch dem Micheli fallen nur unflätige Kommentare ein, später zettelt er gar eine Schlägerei an. Als Zuschauer möchte man Michel gerne mal schütteln oder ihm die Leviten lesen. Denn Darsteller Timo Kobel schafft es brillant, einen Charakter mit Ecken und Kanten zu verkörpern.
«Was isch?»
Köstlich komödiantisch toben sich Knubelknecht Resli (Burkhalter) und Knubelmagd Züsi (Wälti) aus. Mit einfacher wie genialer Gestik, er kratzt sich gerne am Hintern, sie wischt sich pausenlos mit dem Handrücken die Schnuddernase, wird ihre Seelenverwandtschaft unterstrichen. Zum Piepen komisch reisst Wälti als schielende Köchin Leni gerne mal das Küchenfenster mit einem gekieksten «Was isch?» auf, wenn sie gerufen wird. Doch auch der Kontrast von puppen-lustig zu traurig-ernst gelingt an dieser Produktion mit einem beeindruckenden Stilelement. Ziehmutter Anni stirbt, und aus dem lautstarken Stück entsteht eine Stummfilmsequenz, die zu keiner Zeit lächerlich wirkt. Danach spricht Michel dem Wein zu und triezt sein Personal. Doch durch eine weibliche List wird er in sein Liebesglück gelockt. Wie sollte es auch anders sein.