Das Schloss Trachselwald: In Gedanken kehrt Jean Gerber, der Protagonist des Buches, oft hierhin zurück. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Emmental: Die Täufer-Familiensaga «Die Suchenden» von Markus A. Jost hält neben dem Roman viel Historisches bereit. Das Täufertum wird darin als eine wegweisende Kraft beschrieben.
Der Roman beginnt temporeich. Jean Gerber flieht 1659 aus Bern, um nach unbefriedigenden Studienjahren in Genf und Utrecht in Amsterdam zu landen, wo er Mitglied der Täufer wird. Marie, seine spätere Frau, flieht als Kind mit ihrer Mutter 1628 aus La Rochelle, einer Protestantenhochburg, die von den Katholiken belagert wird, und landet auf Umwegen ebenfalls in Amsterdam, wo sie den täuferischen Glauben annimmt. Am Beispiel von Jean, Marie und ihren Kindern und Kindeskindern beschreibt Markus A. Jost die internationale Täuferbewegung.
Im Mittelpunkt des Romans stehen die Doopsgezinden, die Taufgesinnten in den Niederlanden. Die Leserin lernt sie als eine Gruppierung kennen, die anerkannt und Teil der Gesellschaft ist. Reiche Kaufleute, Künstler und Philosophen gehören ihr an. Die Doopsgezinden sind vernetzt mit den führenden Köpfen ihrer Zeit. Täufer und Juden tauschen sich gegenseitig aus. Amsterdam erscheint als Hort der Freiheit und Toleranz. In den Niederlanden herrscht seit der Unabhängigkeitserkärung von 1581 Religionsfreiheit. Jean besucht in Utrecht die Heilige Messe und in Amsterdam eine Täuferversammlung, ohne sich vor einer Verhaftung zu fürchten. In Bern währenddessen wird die Täuferpolitik verschärft, und Flüchtlinge berichten von schlimmen Verfolgungen.
Historische Figuren
Eine Vielzahl berühmter, historischer Figuren, die nachweislich guten Kontakt zu den Täufern pflegten, treten im Roman persönlich auf. Im Anhang des Buchs sind sie alle alphabetisch aufgelistet und kurz porträtiert: Bekannte Künstler wie Rembrand, Voltaire, Van Gogh. Gläubige wie Menno Simons, der Begründer der Doopsgezinde Kirche, und der Quäker William Penn, der sich bei der Gründung von Pennsylvania auf friedlichem Weg mit den Ureinwohnern verständigte. Spinoza, einen niederländischen Philosophen der Aufklärung, lernt die Leserin ausführlich kennen. Und eine Reihe bedeutender, gelehrter Frauen vervollständigen den Reigen: Anna Maria von Schurmann, eine der ersten Studentinnen in Europa, Christina Leonora de Neufville, Übersetzerin der Texte von Voltaire ins Niederländische, Annie Zernike, die erste Pfarrerin der Niederlande.
Pioniere
Vor dem historischen Hintergrund zeichnet Markus A. Jost die Saga einer Täuferfamilie, die bis ins 20. Jahrhundert reicht. Mit psychologischem Gespür charakterisiert er die Personen. Dabei fällt auf, wie egalitär die Rollen zwischen Mann und Frau verteilt sind. Die Frauen sind den Männern nicht hörig, im Gegenteil. Witzige Dialoge bringen die Leserin zum Schmunzeln. Die Täuferfamilie tritt mit den wichtigsten Persönlichkeiten ihrer Zeit in Kontakt, was didaktisch klug, aber nicht immer glaubwürdig ist. Doch dem Autor gelingt es, einen neuen Blick auf das Täufertum zu vermitteln. Die Leserin erkennt, dass vieles vom täuferischen Gedankengut wie der Pazifismus, die Unabhängigkeit vom Staat, die Gleichberechtigung von Mann und Frau wegweisend für die Zukunft war.