Das System MyBuxi: Der Kleinbus wird per App bestellt, die Bestellungen werden dann zu Routen kombiniert. / Bild: zvg
Emmental/Entlebuch: Was tun, wenn es im Dorf keinen ÖV hat? Im Gebiet Affoltern-Lützelflüh-Burgdorf wurde eine Lösung gefunden. Auch Rüderswil machte sich schon früh Gedanken.
Dörfer ohne Anschluss an den Öffentlichen Verkehr – das gibt es auch heute noch. Zum Beispiel in Kröschenbrunnen. Dort bietet das Mitfahrsystem Taxito (siehe Seite 1) eine Alternative. Einen anderen Weg hat Rüderswil beschritten. Hier gab es im Dorf ebenfalls jahrzehntelang weder Bahn noch Bus. Dann kam aus der Bevölkerung eine Idee, beim Restaurant Brücke in Zollbrück und bei der Kirche in Rüderswil je einen gelben Punkt aufs Trottoir zu malen. Auf diesen Punkt kann sich stellen, wer von Rüderswil nach Zollbrück oder umgekehrt mitfahren möchte.
Die Gemeinde setzte die Idee 1996 um. In den folgenden Jahren sei der Punkt zwar nicht von tausenden Menschen benutzt worden, erinnert sich Jürg Rothenbühler, der bis und mit 2016 Gemeindepräsident von Rüderswil war. «Dennoch hat der gelbe Punkt einiges gebracht: Es entstanden private Fahrgemeinschaften.» Rothenbühler selbst nahm mal eine Schülerin mit, die in Rüderswil auf dem gelben Punkt wartete, um bis zur Sekundarschule Zollbrück mitfahren zu können. Das Ganze wiederholte sich, bald nahm Rothenbühler die Schülerin regelmässig mit. Heute ist der gelbe Punkt nicht mehr in Betrieb. Dafür hat Rüderswil einen Bürgerbus. Zuerst verkehrte dieser zwei Jahre im Versuchsbetrieb, 2018 wurde er definitiv eingeführt. Letztes Jahr beförderte der Bürgerbus 31´918 Fahrgäste, den Grossteil davon Schülerinnen und Schüler.
Erfolgreiches MyBuxi
Kein Bürgerbus, sondern ein Rufbus ist Mybuxi. Die weissen Kleinbusse mit dem blauen Logo fahren nur dort, wo sie effektiv gebraucht werden. Es gibt fixe Start- und Zielhaltepunkte, die man als Passagierin per App oder Telefon buchen kann. Bestellungen für den gleichen Zeitraum werden zu Routen kombiniert. Unterwegs können zusätzliche Leute einsteigen, die in die gleiche Richtung fahren wollen. Für eine Einzelfahrt zahlen Erwachsene zehn Franken, im Abo ist der Preis günstiger. Der Fahrpreis macht 50 Prozent der Einnahmen von MyBuxi aus, 30 Prozent steuern Sponsoren bei und 20 Prozent sind Gemeindebeiträge.
Mybuxi ist seit 2020 in Betrieb, fährt sieben Tage pro Woche vom frühen Morgen bis späten Abend. Mittlerweile gibt es das Angebot schweizweit in fünf Regionen. Unter anderem im Emmental zwischen Burgdorf, Hasle, Lützelflüh, Rüegsau und Affoltern. «Die Nachfrage ist gross. Wir können nur etwa 50 Prozent der Bestellungen erfüllen», sagt Geschäftsführer Andreas Kronawitter. Deshalb sei man laufend daran, das Angebot auszubauen. Das braucht aber Geld – und Chauffeure. Solche zu finden, sei nicht einfach, so Kronawitter.
Erfolgloser Carlos
Die Region Burgdorf testete von 2002 bis 2005 das Mitfahrsystem Carlos . Es funktionierte ähnlich wie nun Taxito. An den Carlos-Säulen am Strassenrand konnten Passagiere ihr gewünschtes Fahrziel eintippen, dieses wurde den Autofahrern auf dem Display angezeigt. Anfänglich war das System beliebt, doch im Lauf der Zeit sank die Fahrtenzahl von 300 auf 60 pro Monat. Damit das System rentabel gewesen wäre, hätte es aber 90 Fahrten gebraucht – pro Tag. Deshalb wurde Carlos nach der dreijährigen Pilotphase eingestellt.
In einer Studie gingen die Initianten damals den Gründen für die bescheidene Nachfrage nach. Der grösste Schwachpunkt sei das zu geringe Marketing gewesen, hiess es damals. Weil neue Mobilitätsangebote in der Bevölkerung häufig für Skepsis sorgten, müssten die Vorzüge des Systems immer wieder kommuniziert werden. Bei Carlos sorgte namentlich die Unberechenbarkeit der Wartezeiten für Skepsis. «Diese Unberechenbarkeit lässt sich aber genauso gut als Stärke preisen. Denn im Gegensatz zu einem Linienbus ist Carlos jederzeit benutzbar», so die Initianten damals. Und die durchschnittliche Wartezeit habe über alle Fahrten gesehen nur 6,3 Minuten betragen.