Schutzplätze: Nicht alle Gemeinden erreichen die Quote des Kantons

Schutzplätze: Nicht alle Gemeinden erreichen die Quote des Kantons
Jede Person im Kanton Bern hat einen Platz in einem Schutzraum, wenn auch nicht immer in der Wohngemeinde. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Kanton Bern: Die Gemeinden sind verantwortlich, dass es für alle genügend Schutzplätze gibt. In Langnau wurden 300 aufge­hoben, obwohl der Zielwert des Kantons nicht erreicht wird.

In der Gemeinde Langnau musste wegen des Neubaus der zweiten Eishalle ein Schutzraum mit 300 Plätzen abgebrochen werden. Dies habe der Kanton bewilligt, sagt Thomas Gerber, Gemeinderat öffentliche Sicherheit. Der Schutzraum unter dem Ilfis-stadion, wo 200 Personen Platz finden, betreffe dies aber nicht. Dieser werde derzeit als Garderobe der Young Tigers verwendet. Sowohl der Klub als auch die Stadionbesitzerin, die Isag AG, zeigten Interesse daran, die Räume künftig ohne Auflagen für ihre Zwecke nutzen zu können, so Gerber. Ebenfalls zur Diskussion stehen die 400 Schutzplätze im Kirchgemeindehaus. Dieses soll, im Rahmen eines Gesamtprojekts des Spitals, der Kirchgemeinde und der Gemeinde, neu gebaut werden.


Es wird nach Ersatz gesucht

Der Kanton Bern strebt eine Schutzplatzbilanz pro Gemeinde von 120 Prozent an, um über einen gewissen Spielraum zu verfügen, etwa wegen des Bevölkerungswachstums. Langnau liegt, nach der Aufhebung der Plätze beim Ilfisstadion, bei aktuell 104 Prozent. Nach wie vor bestehe für jede Einwohnerin und jeden Einwohner ein Schutzplatz, versichert Gemeinderat Thomas Gerber. Allerdings wolle man diesen Wert wieder erhöhen und keinesfalls unter 100 Prozent fallen lassen. Die Gemeinde prüfe derzeit mehrere Varianten, so Gerber. Etwa bei der Anlage beim Berufsschulhaus, die heute vom Zivilschutz und vom Militär genutzt werde, aber nicht mehr voll ausgelastet sei. Ebenfalls Kapazität bestehe beim alten Militärspital, das in Besitz der Gemeinde ist. «Nebst dem Depot des Museums Chüechlihus hat es noch viel Leerraum», weiss Thomas Gerber. Spruchreif seien beide Projekte noch nicht, die Gemeinde stehe mit dem Kanton im Kontakt.


Eishalle nicht verunmöglichen

Jede Aufhebung eines Schutzraumes muss vom Kanton bewilligt werden. Möglich ist dies nur unter bestimmten Bedingungen. «Jeder Fall wird einzeln beurteilt», sagt Olivier Andres, Stabschef des Amts für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär (BSM) des Kantons Bern. Ein Grund könne sein, dass ein Um- oder Anbau durch den Schutzraum unverhältnismässig erschwert oder verunmöglicht würde. So wie in Langnau. «Ohne unsere Bewilligung für die Aufhebung wäre der Bau einer zweiten Eishalle verunmöglicht worden», so Olivier Andres. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die bereits erwähnte Schutzplatzbilanz. Weist eine Gemeinde mindestens 120 Prozent aus, ist es möglich, kleinere Schutzräume aufzuheben. Doch diese Quote erreichen die wenigsten Gemeinden im Kanton Bern. Im Gebiet der «Wochen-Zeitung» kommt nur Wachseldorn auf diesen Wert. Am anderen Ende der Skala ist Häutligen mit nur 34 Prozent. Das sei ihnen bewusst, sagt Gemeinderat Matthias Gäumann. «Wir sind in Kontakt mit Gemeinden, welche eine Unterbelegung aufweisen.» In Häutligen selber würden mangels Bauland kaum mehr neuen Schutzplätze entstehen. Olivier Andres bestätigt, dass vor allem Gemeinden mit vielen alten Häusern und wenig Bautätigkeit tiefe Werte aufweisen würden. Dies auch, weil nur Schutzräume als betriebsbereit gelten, die nach 1966 gebaut wurden.


Theorie und Praxis

Bestehen in einem Gebiet zu wenig private Schutzplätze, sind die Gemeinden dafür verantwortlich, die notwendigen Plätze zur Verfügung zu stellen. «So ist es jedenfalls nach dem Buchstaben des Gesetzes», sagt Olivier Andres. In der Praxis sei es da­gegen nicht ganz so einfach. Plane eine Gemeinde nicht gerade den ­Neu- oder Anbau eines Schul- oder Gemeindehauses, werde es schwierig. «Ein Loch graben und nur einen Luftschutzkeller erstellen, macht keinen Sinn.» Eine Möglichkeit, auf anderem Weg zu mehr Schutzräumen zu kommen, sei die Umnutzung von Anlagen des Zivilschutzes, wie das nun auch in Langnau geprüft werde, erklärt der Stabschef des BSM. Für den Zivilschutz selber brauche es seit der Regionalisierung weniger Platz. Oder eine Gemeinde könne mit einer privaten Bauherrschaft schauen, ob diese beispielsweise in einer Überbauung mehr Schutzplätze erstellt als gesetzlich vorgeschrieben. An die Baukosten und an die Ausrüstung öffentlicher Schutzräume kann der Kanton Beiträge aus dem Ersatzbeitragsfonds sprechen. Werden Hauseigentümerinnen von der Schutzraumbaupflicht befreit, haben sie einen Ersatzbeitrag zu leisten.

Gemeinden teilen die Schutzplätze zu

Mit dem Krieg in der Ukraine stieg in der Schweiz das Interesse an Schutzräumen. Für die Zuweisungsplanung, also für die Festlegung, wer in welchen Schutzraum kommt, seien die Gemeinden verantwortlich, steht auf der Webseite des Amts für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär. Ein Bezug von Schutzräumen würde aber vom Bund angeordnet und bräuchte einige Tage der Vorbereitung. Viele dieser Räume werden heute für andere Zwecke genutzt, etwa als Keller, Vereinslokal oder Lager; ein solcher Gebrauch ist erlaubt.

21.09.2023 :: Silvia Wullschläger (sws)