Kanadierin tüftelt an Schweizer Rezepten

Kanadierin tüftelt an Schweizer Rezepten
Andie Pilot vor ihrem Haus – auch hier wachsen Zutaten zum Backen. / Bild: Regine Gerber (reg)
Trubschachen: Andie Pilot gibt traditionellen Schweizer Rezepten einen neuen Dreh – und macht sie im Ausland bekannt. Im neuen Buch der Kanadierin dreht sich alles um Getränke.

«Mmh, dieser Karamellschnaps mit Gewürznelken, Wacholderbeeren, Kümmel und einem Hauch von Zimt ist – wahnsinnig lecker», schwärmt Andie Pilot. Sie sitzt am Esstisch in ihrem Haus in Trubschachen und kommt, gefragt nach dem Lieblingsrezept aus ihrem neuen Buch, ins Erzählen. Der Schnaps «Brächete Brönnts» sei früher nach der harten Arbeit des Flachsbrechens gereicht worden. Die Food-Bloggerin und Kochbuchautorin hat den Schnaps erstmals an der Zäziwiler Brächete entdeckt.

Andie Pilot interessiert sich für alle Aspekte von Lebensmitteln: Nicht nur dafür, wie sie schmecken und sich zubereiten lassen, sondern auch für deren Herkunft und Produzenten. Am meisten aber begeistert sich die gebürtige Kanadierin für die Geschichten, die sich rund ums Essen und Trinken erzählen lassen. Ihr Buch «Schümli Pflümli & Co», das nun in Deutsch erschienen ist, enthält  nebst 100 Rezepten zu Drinks, Cocktails, Kaffees und heissen Schokoladen viele Hintergrundinformationen und Anekdoten zur Schweizer Getränkekultur.


Von Calgary nach Trubschachen

Nicht Getränke sind eigentlich ihr Steckenpferd, sondern das Backen. Nach einem Literatur-Studium absolvierte die heute 40-Jährige in Kanada eine Lehre als Konditorin. Und die Liebe zum Backen war es auch, die sie nach der Ausbildung aus Calgary in die Schweiz verschlug. «Ich wollte in einer Schweizer Bäckerei lernen, wie man all die feinen Gipfeli und Guetzli macht», sagt Andie Pilot. Als Tochter einer Schweizerin war ihr das Land nicht fremd. In ihrer Kindheit verbrachte sie die Ferien oft bei den Grosseltern in Walenstadt. Die Konditorin hatte geplant, hier ein Jahr lang Erfahrungen zu sammeln. Es kam anders: In Bern lernte sie ihren heutigen Mann kennen, und als sie Eltern wurden, zog es sie aufs Land nach Trubschachen.


Blog für die Freunde

Andie Pilot begann sich mit der hiesigen Küche zu beschäftigen. Seit 2015 veröffentlicht sie auf ihrem Blog helvetickitchen.com Schweizer Rezepte, die sie ins Englische übersetzt und mit einem kanadischen Dreh weiterent­wickelt. Gedacht war der Blog eigentlich für die Freunde in Kanada, die sie oft nach Rezepten fragten: «Wie geht die Rüeblitorte deiner Mama? Wie hast du die Weihnachtscookies gemacht?» Bald erhielt die Bloggerin Rückmeldungen von Leuten aus aller Welt, die auf ihre Website gestossen waren und sich freuten, typische Schweizer Gerichte und Backwaren zubereiten zu können. «Ich hatte eine Nische gefunden», blickt  Andie Pilot zurück. Das Übersetzen von Rezepten sei jedoch nicht ganz ohne. «Es gibt verschiedene Masseinheiten und die Beschaffenheit von Zutaten wie Butter und Mehl sind hier anders als in Nordamerika», sagt Pilot. Bevor ein Rezept veröffentlicht wird, lässt es die Autorin von den ehemaligen Arbeitskolleginnen in Kanada testen.


Probieren und recherchieren

Manchmal kocht Andie Pilot die gleichen Rezepte über Tage. «Ich gebe etwas dazu, versuche es leicht abzuändern, bis es perfekt schmeckt», sagt sie. Die siebenjährige Tochter freut sich nicht immer über die Testserien. «Sie sagt manchmal: ‹Mama, nicht schon wieder das!» Vor dem Tüfteln kommt die Recherche. Andie Pilot besitzt ein Regal voller alter Kochbücher, die sie als Quellen nutzt. Sie vertieft sich in Familienrezepte von Verwandten und Freunden und erhält immer wieder  Hinweise zu spannenden Gerichten. Sie reist aber auch durch die Schweiz, um Produzenten zu treffen – für das Getränkebuch besuchte sie viele Brauereien und Destillerien. «Und ich suche auch online nach Inspiration», sagt die  Autorin. «Aus all den Quellen bastle ich dann eigene Rezepte.»


Touristen und Kurse

Als die Resonanz auf ihren Blog immer grösser wurde,  fragte Andie Pilot einen englischsprachigen Schweizer Verlag an, ob er ein Kochbuch von ihr veröffentlichen möchte. Sie hatte Glück. 2017 publizierte der Verlag  ihr erstes Buch «Helvetic Kitchen». Darin finden sich etwa Rezepte zu Capuns aus Graubünden oder zu Zigerhörnli aus dem Kanton Glarus. 2018 folgte «Drink like the Swiss», eine erste, schlanke Version des jetzigen Getränkebuches. 2018 kam «Swiss Cookies» heraus. Alle Bücher wurden mehrmals aufgelegt.

«Von Kochbüchern lässt sich nicht leben», räumt Andie Pilot ein. Sie seien aber eine Visitenkarte für ihre Arbeit und hätten ihr berufliche Türen geöffnet. So leitet Andie Pilot beispielsweise Food-Exkursionen und Workshops für amerikanische Touristen. Und an der Volkshochschule Oberemmental gibt Andie Pilot immer wieder Backkurse, in welchen sie ihre Leidenschaft an Erwachsene und Kinder weitergibt.

05.09.2024 :: Regine Gerber (reg)