Bei Integration weniger in Stufen denken

Bei Integration weniger in Stufen denken
Die Stiftung Intact beschäftigt langzeiterwerbslose Menschen, etwa beim Hauslieferdienst in Langnau. / Bild: zvg
Emmental: Irène Kälin, Präsidentin Arbeitsintegration Schweiz, referierte am Neujahrsapéro der Stiftung Intact über das Zusammenspiel von sozialer und beruflicher Integration.

Das Neujahrsapéro der Stiftung Intact fand in der Kupferschmiede Langnau statt. Die Institution unter der Leitung von Theophil Bucher beschäftigt und integriert seit 1997 Langzeiterwerbslose. Sie bietet Betroffenen ein soziales Netzwerk und unterstützt sie bei der beruflichen Integration; jährlich werden 50 bis 70 Menschen an den ersten Arbeitsmarkt vermittelt.


Stärker Vorbelastete verbleiben

Theophil Bucher betonte, wegen der Corona-Pandemie habe ein schwieriges Vorjahr verdaut werden müssen. Die Arbeit mit den ständig rund 200 Programm-Teilnehmenden, 20 bis 30 davon in Langnau, sei zudem anspruchsvoller geworden. «Wegen des Fachkräftemangels werden die fähigsten Programmteilnehmenden früher vermittelt und es verbleiben vermehrt stärker Vorbelastete, die mehr Betreuungszeit beanspruchen. Es befinden sich mehr Teilnehmende in der sozialen Integration.» Hierbei liege der Fokus erst auf der Stabilisierung, der Teilhabe am sozialen Leben und dem Aufbau von Schlüsselkompetenzen, erklärte Bucher.

Bei der beruflichen Integration werde die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt angestrebt. Die Krux: Als Partner der Sozialwerke (Arbeitslosen- und Invalidenversicherung, Sozialhilfe) werden Sozialfirmen wie die Stiftung Intact primär daran gemessen, wie viele Teilnehmende den Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt schaffen – für die Anbieter von arbeitsintegrativen Angeboten ist dies herausfordernd, da erfolgreiche Integrationsarbeit einen langen Vorlauf hat.


Integration Hand in Hand

Die soziale und berufliche Integration gehe de facto immer Hand in Hand, betonte Irène Kälin, Präsidentin von Arbeitsintegration Schweiz und Aargauer Nationalrätin (Grüne) in ihrem Inputreferat. «Der künstlichen Trennung der Finanzierung und zum Teil auch der Angebote von sozialer und beruflicher Integration wird diese Tatsache oft nur ungenügend gerecht; es wird zu sehr in Stufen gedacht.» Das zeige sich am Beispiel jener Anbieter mit Integrationsbestrebungen für beide Zielgruppen. «Letztlich sind es die Schlüsselkompetenzen, die oft den sozialen Integrationsprogrammen zugeordnet werden, die den Erfolg der beruflichen Integration ermöglichen», so Kälin. Der Fachkräftemangel und die damit verbundene erfreulich tiefe Arbeitslosigkeit verstärke die Notwendigkeit, soziale und berufliche Integration zusammenzulegen. Irène Kälin verdeutlichte: «Gerade an den schwierigeren Profilen zeigt sich, wie eng die soziale und berufliche Integration verzahnt sind und wie wichtig die sozialen Schlüsselkompetenzen sind für eine erfolgreiche Wiederintegration in den Arbeitsmarkt.»


«Branche und Politik sind gefordert»

Irène Kälin sagte, es brauche nebst den nötigen finanziellen Ressourcen für die Branche wohl auch ein neues Verständnis in der Politik. In den unterschiedlichen Finanzierungsmechanismen widerspiegele sich dies heute nur ungenügend. «Von den Leistungserbringern kann nur erwartet werden, im Rahmen des Fachkräftemangels einen Beitrag zu leisten, wenn man anerkennt, dass die Leute in der Arbeitsintegration heute vermehrte Begleitung und individuelle Betreuung brauchen.» Nur so könne die Integration in den Arbeitsmarkt gelingen. Sie forderte zudem, dass Stellen für we­niger leistungsfähige Menschen geschaffen werden und dass man Flüchtlingen eine Chance gibt. Auch Firmen des ersten Arbeitsmarktes seien gefordert.


Firmen kommen auf Stiftung zu

An der anschliessenden Podiumsdiskussion nahmen Personen aus der Kantons- und Gemeindepolitik sowie der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion teil. Theophil Bucher erwähnte, zum Glück kämen viele Emmentaler Firmen direkt und offen auf die Stiftung zu und man werde nach Personal gefragt. Der Abend wurde mit einem reichhaltigen Apéro abgerundet – zubereitet vom Intact-Gastro-Team. In diesem Rahmen ergänzte Theophil Bucher: «Wie reagieren wir zum Beispiel, wenn taubstumme, fremdsprachige Flüchtlinge eintreten, wie im letzten Jahr erlebt? Die Integration beansprucht wohl Jahre.» Keinesfalls dürfe man solche Menschen einfach fallen lassen.

25.01.2024 :: Remo Reist (rrz)