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Popcorn

Seit ich Mutter bin, tue ich Dinge, die ich vor meiner Mutterrolle nur mitleidig belächelt hätte. Wie zum Beispiel diese Aktion von heute Nachmittag. Wisst ihr, wo ich jetzt gerade bin: Jawohl, in einem überfüllten, hellgrellen Indoor-Spielplatz.

Gerade eben habe ich zum dritten Mal ein «Bälleli» vom «Bälleli-Bad» am Kopf. Draussen regnet es in Strömen, was die Bude hier gefüllt hat. Es ist eine Welt für sich mit weichen, plasti­fizierten Klettertürmen. Die Kinder können dort hinein und an verschiedenen Plastikdingen herumhangeln und auf Trampolinen herumspringen. Vor dem Kletterturm steht ein Schild: «Zutritt nur für Kinder.» Meine kleine Tochter hüpft freudig in diesen Turm hinein. Sie verschwindet zwischen all den anderen Kindern und ich stehe da. Anstelle der Entspannung entsteht in mir ein Gefühl der nervösen Leere.

Schweren Herzens tripple ich von einem Bein auf das andere. Je länger, je mehr kommt es mir vor, als ob dieser Turm mein Kind verschluckt hätte.
Ich kann nur viele nervöse Kinderbeinchen sehen und ab und zu springt eines nahe ans Netz, aber meines ist
es nie. Alle Eltern stehen lässig herum, schauen ins Handy oder gönnen sich eine Kafi oder eine Packung Popcorn. Das Kind ist ja jetzt in diesem Turm versorgt. Besorgt schaue ich umher. Mein Mann grinst wissend und meint: «Spätestens am Abend bei der Schluss-Reinigung wird sie wieder gefunden.» Er legt einen Arm um mich und scheint sich komplett in diese wuselige Welt integrieren zu können.

Ich schaue den entspannten Eltern, die alle nicht mit der Wimper zucken, beim Popcorn kauen zu. Plötzlich
ergreift mich die Panik und im Nu hange ich am Netz des Kletterturmes. Ich rufe zuerst leise, dann energisch und zum Schluss hysterisch den Namen meiner Tochter in den Turm, der sie verschluckt hat. Es kommt mir vor wie im Basler «Zooli» im Affenhaus. Du willst den Gorilla sehen, es kommen aber nur die Schimpansen. Ich rufe nochmals nach meinem Kind. Mein Mann lächelt beschwichtigend. Dann packe ich die Popcornpackung der Frau nebenan und werfe Popcorn durchs Netz. Naja, vielleicht locke ich sie ja damit an. «Komm, mein Schatz, Popcorn, schau!» Jetzt greift mein Mann beschwichtigend ein, nimmt mir die Popcorn-Packung weg, gibt sie der Mutter neben mir zurück. «Entschuldigung», murmle ich beschämt.

Um mich herum kreischt und kracht es, Kinder springen hin und her, und dann auf einmal sehe ich ihn, meinen Gorilla unter all den Schimpansen.

Meine Tochter steht oben am Netz und ruft freudig strahlend: «Schau mal Mama, da hat es sogar Popcorn im Turm.»

25.01.2024 :: Fabienne Diessel-Krähenbühl