Bei ihnen ist immer etwas los: Thom und Salome Wieland mit Tochter Lilou. / Bild: zvg
Röthenbach: Die Familie Wieland bietet auf ihrem Bauernhof Wohn- und Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung an. Nun wurden sie mit dem Prix Cerebral ausgezeichnet.
Es regnet in Strömen an diesem Morgen. Der Hof der Familie Wieland, der idyllisch oberhalb von Röthenbach liegt, wirkt auf den ersten Blick menschenleer. Der Eindruck täuscht: Im Stall sind mehrere Männer am Ausmisten, drinnen in der Küche bereiten zwei Frauen das Znüni zu. Und Betriebsleiterin Salome Wieland gibt den Übernachtungsgästen Schlechtwetter-Tipps. Ein Flipchart in der Küche verrät, dass heute noch viel ansteht. Dort sind die Tagesaufgaben für alle Personen aufgelistet, die heute auf dem Hof sind. «Ohne exakte Planung würde unser Betrieb nicht funktionieren», sagt Salome Wieland.
Die Familie, zu der auch die sechsjährige Tochter Lilou gehört, führt nicht nur einen Biomilchwirtschaftsbetrieb, sondern betreibt auch ein Bed and Breakfast im Speicher. Sie organisiert Apéros für bis zu 250 Leute und verkauft eigene Produkte im Hofladen und über ihren Webshop. Ihr Herz schlägt aber noch für einen weiteren Betriebszweig: Wielands
bieten Wohn- und Arbeitsplätze für Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen an. Aktuell leben drei Personen im betreuten Wohnangebot im Stöckli. Sechs kommen im Rahmen einer Tagesstruktur auf den Hof. Das heisst, sie werden tagsüber auf dem Hof betreut, wohnen aber bei ihrer Familie, in einer Institution oder mieten ein Zimmer bei Wielands. «Wir planen, ab Sommer zwei weitere Tagesplätze zu besetzen», sagt Salome Wieland.
Vielfältige Arbeiten, eigene Ämtli
Bei Wielandleben, wie der Betrieb heisst, gibt es immer etwas zu tun. «Die Arbeiten sind sehr vielfältig», sagt die 37-jährige Betriebsleiterin. Die Mitbewohnenden und Tagesgäste versorgen zum Beispiel im Stall die Tiere und helfen im Garten mit. Sie bereiten Mahlzeiten vor oder stellen Produkte für den Hofladen her. «Wir fragen anfangs immer: Was würde dir Freude bereiten? So versuchen wir, alle bei ihren Stärken und Interessen abzuholen», erzählt Wieland, die eine Ausbildung als Institutionsleiterin und im Bereich «Betreuung im ländlichen Raum» hat. Wenn sich jemand dafür eigne, könne er auch bei Apéros Getränke servieren. «Es ist schön, wenn unsere Leute auch mit Gästen in Kontakt kommen.»
Die betreuten Personen werden in den normalen Tagesablauf auf dem Bauernhof und auch ins Familienleben eingebunden. «Wir essen zum Beispiel alle gemeinsam», sagt Wieland. Gearbeitet wird in Gruppen von zwei bis fünf Personen. Salome und Thom Wieland sowie Arbeitsagoge Fritz Zaugg sorgen dafür, dass alle Aufgaben erhalten, die ihnen entsprechen. Die meisten ihrer Schützlinge bräuchten intensive Betreuung und viel Anleitung, sagt Salome Wieland. «Uns ist aber wichtig, auch die Selbstständigkeit zu fördern. Daher haben alle ein Ämtli, für das sie selbst verantwortlich sind.» Das funktioniere längst nicht immer, räumt sie ein.
In der Natur blühen viele auf
Seit zwölf Jahren gibt es ein Betreuungsangebot bei Wielandleben. Zu dieser Zeit lebte das Paar noch auf einem Pachtbetrieb in Aeschau. Salome Wieland hatte in verschiedenen Institutionen mit beeinträchtigten Menschen gearbeitet. Die Idee, etwas Eigenes aufzubauen, reifte. An ihrem damaligen Arbeitsplatz sagte ein Bewohner: «Wenn du ein Heim eröffnest, ziehe ich ein.» Und tatsächlich: Dieser Mann sei ihr erster beeinträchtigter Mitbewohner gewesen, erzählt Wieland. 2017 kaufte die Familie schliesslich den Betrieb in Röthenbach. Hier war genug Platz vorhanden, um das Angebot auszubauen. «Es hat sich alles Schritt für Schritt entwickelt», blickt Wieland zurück.
Das Betreuungsangebot ist inzwischen als gemeinnütziger Verein organisiert und damit getrennt von Landwirtschaft und Gastronomie. Es sei für den Betrieb ein wichtiges Standbein geworden, sagt Salome Wieland.
Aber was motiviert die Familie zu ihrer sozialen Tätigkeit? «Wir erleben immer wieder, wie sich Menschen positiv entwickeln, wenn sie einer sinnvollen Arbeit in der Natur und mit Tieren nachgehen können», so Wieland. Und sie würden sich über jeden noch so kleinen Fortschritt ihrer Mitbewohnenden freuen. «Mit Förderung in einem passenden Umfeld ist so vieles möglich.»