Freilichtspiele Moosegg: Als der Tod sich unsterblich verliebte

Freilichtspiele Moosegg: Als der Tod sich unsterblich verliebte
Der Beindlichrämer chauffiert seine Fracht im sargförmigen Beiwagen seines Elektro-Motorrads. / Bild: Simon Schwab
Moosegg: Der Beindlichrämer ist ein Lieferant mit zweifel­hafter Fracht. Er transportiert Verstorbene in die Hölle oder den Himmel. Die Komödie wird derzeit auf der Moosegg gespielt.

Über den Tod zu lachen ist das Einzige, was Sinn macht. Ihn zu beklagen bringt auch nicht weiter. Dann schon lieber einen Blick in die Welt der Illusionen werfen, in die der «Beindli­chrämer» entführt. Der künstlerische Leiter der Freilichtspiele Moosegg, Simon Burkhalter, nahm sich Mi-chael Bully Herbigs «Geschichte vom Brandner Kaspar» vor. Es war der letzte Film von Joseph Vilsmaier (Schlafes Bruder, Herbstmilch), der kurz vor seinem Tod nochmals sein Händchen für volkstümliche Legenden bewies. Burkhalter entwickelte eine Mundartfassung des «Boandl­kramers», die Regisseur Ulrich S. Eggimann mit humoristischer Dramatik feinfühlig inszeniert. Der Beindli­chrämer hat die Aufgabe, Verstorbene je nach Lebensführung in den Himmel oder die Hölle zu befördern. Nur die Todgeweihten können ihn sehen. Doch er verliebt sich in Leni (Sarina Wälti) und schliesst einen Pakt mit dem Teufel (Karl Johannes Rechsteiner). Das dämonische Glücksrad beschert ihm ein Sabbatical vom Knochenjob, doch der Gehörnte will nichts anderes als die himmlische Ordnung zu zerstören.


Mit Beiwagen in Sargform

Der frisch zur Welt gekommene Gevatter Tod wird von Emanuel Gfeller gekonnt naiv und tapsig dargestellt,  so dass man ihn am liebsten in den Arm nehmen möchte. Ebenso überzeugen die 20 Schauspielerinnen und Schauspieler mit Spielfreude und Präzision. Eine acht Meter hohe Kuppel haben Andreas und Marlen Stettler als Bühnenbild auf die Waldbühne gesetzt. Mal als Jenseits, mal mit Höllenpersonal, mal mit Engeln bevölkert. Die Kostüme von Lisa Eggimann im Schattenreich des Teufels wirken wie eine Kreuzung aus Punk und Gothic. Sie passen vortrefflich ins Bild, während die Engel erwartungsgemäss weiss gewandet erscheinen.

Was die Handpuppe des Rabenvogels, geführt von Andrea Studer, für eine Rolle spielt, erschliesst sich nicht so recht. Er stellt wohl eine Art Kumpel für den Beindlichrämer dar. Den wirklichen Vogel schiesst Requisitenbauer Babu Wälti ab, mit einem Gefährt für den Todesengel zwischen Himmel und Hölle. Dieser düst mit dem Elektro-Motorrad-Unikat samt Beiwagen in Sargform kreuz und quer über die Bühne. So chauffiert er auch Elise (Franziska Christen), die eigentlich wegen ihres Männerverschleisses in der Hölle landen sollte. Leider brachte sie ihr letzter Gatte mit einem Pilzgericht um die Ecke.


Der Tod schwingt das Tanzbein

Durch das fiese Geschäft mit dem Teufel ist der Knochensammler für Leni sichtbar geworden und nennt sich nun Bänz Krämer. Um ihr Herz zu erobern, stellt der Verliebte einiges an: «Warum gibt es in Kirchen keine Toiletten? Damit keiner austreten kann.» Mit flachen Witzen versucht er sie zum Lachen zu bringen. Er nimmt Blockflötenunterricht bei ihr und legt ein Tänzchen aufs Parkett. Doch Leni liebt Andreas (Timo Kobel), der im Krieg vermisst wird. Aus Vernunft will sie nun Toni (Stephan Stalder) heiraten. Doch die Jüngste des Ensembles (Emely Gehret) protestiert als Tochter Maxi leidenschaftlich: «I bruuche aber ke Vater, i ha scho eine!»

Beim Monolog des Teufels gefriert einem das Blut in den Adern, wenn er mit genüsslicher Stimme tönt: «Wo der Cäsar isch ermordet worden, hani em Brutus sy Dolch gfüehrt. Bi dr Schlacht vo Moorgarte han i derfür gsorget, dass die Fautsche verlüre. I bi der Chünig vo Ungfeuh und Chummer!» Man meint, Schwefel zu riechen. Und wenn die Blaskapelle lüpfige Volksmusik anstimmt, tönt dies wie aus der Augsburger Puppenkiste. Aber dass der Teufel nicht nur Klarinette spielt, sondern gar zu einer roten Plastikflöte greift, hätte wohl keiner erwartet. Was ist es doch befreiend, dem Tod mal richtig ins Gesicht zu lachen.

11.07.2024 :: Christina Burghagen (cbs)