Historischer Flohmarkt-Fund fürs Dahlia

Historischer Flohmarkt-Fund fürs Dahlia
Hansueli Hofer übergibt sein Fundstück an Dahlia-Direktorin Franziska Furer Vermeer. / Bild: Karl Johannes Rechsteiner (kjr)
Langnau: Hansueli Hofer fand auf einem Flohmarkt jenes Dokument, mit dem der Kanton vor 115 Jahren das Asyl Gottesgnad anerkannte. Nun hat er es dem Dahlia geschenkt.

Im Jahr 1909 wurde in Bern das Casino eröffnet und das Weltpostdenkmal enthüllt. Albert Einstein lehrte an der Uni theoretische Physik und Chirurg Theodor Kocher erhielt den Nobelpreis für Medizin.

Für weniger Aufsehen sorgte am 29. März gleichen Jahres ein Entscheid des Grossen Rates: Auf Antrag des Regierungsrates wurde ein Dekret erlassen, das Asyl Gottesgnad «im Emmenthal» als juristische Person
anzuerkennen. Dieses wohl älteste Dokument zum ersten Alters- und Pflegeheim im oberen Emmental landete eines Tages in den Händen von Hansueli Hofer in Bärau. Der Rentner liebt es, Flohmärkte zu besuchen. Dort rettet er regelmässig Gemälde und Zeichnungen einheimischer Künstlerinnen und Künstler vor dem Vergessen. Als nächstes präsentiert er zum Beispiel im November dieses Jahres solch einzigartige Kunstmalereien aus der Region in einer Ausstellung im Dahlia in Langnau.


Ein Akt der Nächstenliebe

Inmitten der alten Gegenstände auf einem Flohmarkt findet Hansueli Hofer auch mal die eine oder andere Trouvaille. So erwarb er vor Monaten ein altes Dokument mit schönem Berner Wappenstempel. Allerdings betrachtete er das Fundstück erst kürzlich genauer. Es entpuppte sich als Dekret des Grossen Rates aus dem Jahre 1909. Beschlossen wurde es lange vor dem Bau des 1914 eröff­neten Asyl Gottesgnad. Mit der ju­ristischen Anerkennung durch das Kantonsparlament wurde das Heim handlungsfähig und konnte Verbindlichkeiten eingehen. Damit konnte
die Planung fürs erste Alters- und Pflegeheim der Region so richtig beginnen, auch wenn in gestochen scharfer Handschrift festgehalten wurde: «Für die Erwerbung von Grundeigentum hat dieses Institut jeweilen die Genehmigung des Regierungsrates einzuholen.»

Eine passende Postkarte ergänzt das Dokument vom Flohmärit. Das historische Foto vom Asyl Gottesgnad wurde vor über 100 Jahren von einer Frieda Kellenberger in Langnau zur Post gebracht: «M. L!» kürzt sie die Anrede an «Meine Lieben» ab und schickt «endlich auch mal ein Grüss­chen von mir» an ihre Verwandt-schaft in der Heimat im appenzellischen Wolfhalden. Und sie erklärt, es handle sich in Langnau um «ein Asyl für Unheilbare mit 85 Betten». In der damaligen Zeit ohne Sozialversicherungen waren viele Alleinstehende ohne Angehörige auf ein «Gnadenbrot» angewiesen. Alter und Krankheiten waren schwierige und entwürdi­gende Lebensphasen. Die Gründung der Asyle Gottesgnad geschah aus christlicher Nächstenliebe dank der Initiative der Berner Landeskirche. Die Bevölkerung half mit Natural- und Geldspenden. Es dauerte etliche Jahre, um die Mittel für den Bau der Langnauer Institution zusammenzubringen. Das Bedürfnis für solche Alters- und Pflegeheime war gross.


Im Wandel der Zeit

Zurück in die Gegenwart. Ein sonniger Tag, im Innenhof des Dahlia in Langnau blüht es bunt. Vögel zwitschern, Bewohner und Gäste sitzen friedlich bei Kaffee und Kuchen unter den lauschigen Bäumen. Aus dem Asyl von einst ist das Dahlia geworden. Die Dahlie verkörpert als Blume die eindrücklichen Blüten im Herbst des Lebens. «Wohnen – betreuen – pflegen», steht heute im Mittelpunkt. Nicht nur im Lenggen und Oberfeld in Langnau, sondern auch in Eggiwil und Zollbrück. Direktorin Franziska Furer Vermeer sitzt an einem Tisch im Innenhof. Neben ihr Hansueli Hofer. Er übergibt ihr das historische Fundstück. Sie bedankt sich und kündigt an: Das handgeschriebene Dokument kommt ins grosse Buch mit anderen Dokumenten aus der Geschichte des Dahlia, die vor 115 Jahren offiziell begann – mit dem Dekret des Grossen Rates.

18.07.2024 :: Karl Johannes Rechsteiner (kjr)