Wie eine kleine Versicherung den Grossen der Branche trotzt

Wie eine kleine Versicherung den Grossen der Branche trotzt
Die Ursprünge der heutigen Emmental Versicherung reichen ins Jahr 1874 zurück. / Bild: zvg
Emmental: Die Emmental Versicherung hat zwar weniger Kunden als grosse Versicherer, aber mehr Agenturen – und sie lässt ihre Kunden am Gewinn teilhaben. Heuer wird sie 150-jährig.

230. Diese Zahl nennt Christian Rychen im Gespräch mehrmals. Und wenn er sie sagt, dann klingt in seiner Stimme Stolz mit.

Rychen ist Geschäftsleiter der Emmental Versicherung, die heuer ihr 150-Jahr-Jubiläum feiern kann. Sie bietet Sach-, Haftpflicht- und Fahrzeugversicherungen an – in diesen Bereichen hat sie schweizweit einen Marktanteil von 1 Prozent. Damit ist sie bereits die neuntgrösste Anbieterin, hinter den grossen acht Versicherungsgesellschaften, die zusammen 85 Prozent des Marktes abdecken.

Wie es die Emmental Versicherung mit Hauptsitz in Konolfingen schafft, gegen nationale oder sogar interna­tionale Konzerne wie Allianz oder Axa zu bestehen? Hier bringt Christian Rychen erstmals die Zahl 230 ins Spiel. So viele Agenturen nämlich hat die Emmental Versicherung, «so viele wie keine andere Versicherung». Die Mehrheit der insgesamt 300 Mitarbeitenden sind in Teilzeit für die Versicherung tätig, daneben führen sie zum Beispiel einen Bauernbetrieb oder sind Landi-Verwalter. «Wir sind also sehr nah bei den Leuten», sagt Rychen. «Das ist unser grösster Vorteil.»


Die Vergangenheit

Um das Wesen der Emmental Versicherung zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück. Bis 1870 hatte die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft ein Monopol, andere Mobiliarversicherungen gab es im Kanton Bern nicht. Der Monopolist sei städtisch ausgerichtet gewesen, viele Bauernbetriebe hätten zum Beispiel ihre Fahrzeuge nicht versichert gehabt, lesen wir in der Firmenchronik. Nach der Aufhebung des Monopols gründeten im Emmental Bauern und Gewerbler 1874 zusammen die «Gesellschaft auf Gegenseitigkeit für die Versicherung von Mobiliar gegen Feuergefahr», aus der später die Emmentalische Mobiliar und die heutige Emmental Versicherung wurde.

Obwohl die Versicherung lange vor allem im Emmental tätig war, also in einem geografisch begrenzten Gebiet, gewann sie stetig Kunden dazu. Zum Beispiel profitierte sie von den Boomjahren nach dem Zweiten Weltkrieg, aber sie passte auch ihre Produkte an. «Sonst wäre das Wachstum nicht möglich», sagt Geschäftsleiter Christian Rychen.


Die Gegenwart

Heute ist die Emmental Versicherung in der ganzen Schweiz tätig. Der Umsatz hat in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich zugenommen. Dann gab es einen markanten Sprung nach oben: Betrugen die gesamten Prämieneinnahmen 2022 noch 92,9 Millionen Franken, waren es 2023 plötzlich 108,4 Millionen Franken. Der Grund: Seit Mitte 2022 bietet die Emmental Versicherung auch eine Fahrzeugversicherung mit Haftpflicht, Kasko, Pannenhilfe und so weiter an. Dank ihr stieg die Kundenzahl innert Jahresfrist von 61´000 auf 68´000. Die Fahrzeugversicherung soll laut Christian Rychen vermehrt auch jüngere Leute ansprechen. Mit dem Ziel, diese später auch für andere Produkte wie die Hausratversicherung oder die Privathaftpflicht zu gewinnen.

Daneben ist die Emmental Versicherung stark bei Landwirtschaftsbetrieben und KMU. Für sie gibt es Komplettpakete: Bauern etwa können von Tieren und Betriebsinventar über Ertragsausfälle bis zur Haftpflicht alles in der gleichen Police versichern lassen. «Das ist unsere Nische», sagt Rychen. Eine Nische, die grössere Versicherungen nicht bedienen.


Die Zukunft

In einem schweizweiten Ranking hat die Handelszeitung kürzlich die besten Hausratversicherungen erkoren. Den Spitzenplatz belegt die Emmental Versicherung, auf den Plätzen dahinter folgen Axa, Mobiliar, Helvetia und Vaudoise. Was bei den Befragten besonders gut ankam: der Gemeinschaftsgedanke. Als Kundengenossenschaft gibt die Emmental Versicherung zwar nicht Anteilscheine heraus, aber sie beteiligt ihre Kunden jeweils am Geschäftserfolg. Die Gewinne kommen in einen Fonds, und alle drei Jahre finden Gewinnausschüttungs-Anlässe statt. Dort gibt es Essen, Unterhaltung und in der Regel 15 Prozent der Jahresprämie bar auf die Hand zurück. Heuer wurden sogar 20 Prozent zurückbezahlt.

«Die persönliche Nähe wird auch in Zukunft unsere DNA sein», sagt Christian Rychen. Dann kommt er nochmals auf die 230 Agenturen zu sprechen. Auch wenn sie sich mittlerweile über die ganze Schweiz erstrecken, so ist das Agenturnetz doch immer noch im Emmental am dichtesten. Künftig möchte die Versicherung vermehrt auch Leute in Subzentren wie Münsingen ansprechen und dafür die Produktpalette ständig weiterentwickeln, wie der Geschäftsleiter erklärt. Was ihm konkret vorschwebt? Christian Rychen schmunzelt. «Uns wird bestimmt wieder etwas in den Sinn kommen.»

25.07.2024 :: Markus Zahno (maz)