Einsatz für Bauern, Kritik an Verwaltung

Einsatz für Bauern, Kritik an Verwaltung
Der letzte Sessionstag im Grossen Rat: Ernst Tanner, EDU, ist nach zwölf Jahren Kantonspolitik zurückgetreten. / Bild: zvg
Ranflüh: Ernst Tanner, Bagger- und Dreschereiunternehmer, ist Ende Juni aus dem Berner Grossen Rat zurückgetreten. Porträt eines Politikers mit «christlichem Hintergrund».

«Nein, ich werde den Grossrat nicht vermissen», sagt der 66-jährige Ernst Tanner beim Gespräch im Café Liechti in Zollbrück. «Ich bin froh, dass ich nach zwölf Jahren in diesem Amt aufhören konnte. Aber die vielen Reaktionen beim Abschied haben mich überrascht. Die meisten, auch Grüne und SP-ler, haben mir Adieu gesagt.» Dass er diese zwei Parteien erwähnt, hat einen guten Grund: Tanner politisierte am andern Ende des politischen Spektrums, bei der Eidgenössisch-Demokratischen Union, der EDU. «Vom christlichen Hintergrund her passe ich gut in diese Partei. Wie die SVP setzen wir uns für die Landwirtschaft und das Gewerbe ein, können aber die christlichen Anliegen stärker vertreten.» Für Leute, für die christliche Werte wichtig sind, gäbe es ja auch die EVP, die Evangelische Volkspartei. «Die gibt es schon», erklärt Tanner, «aber die EVP ist ziemlich links.»


Auseinandersetzungen mit der OLK

Was hat er im Grossen Rat erreicht? «Ich habe nie geglaubt, dass einer von 160 etwas bewegen kann, aber wenn man überparteilich zusammenarbeitet, geht das doch.» Besonders aus­einandergesetzt hat er sich in verschiedenen Vorstössen mit der Arbeit der Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder (OLK). Tanner wirft dieser Kommission vor, sich nur um das Äusserliche von Gebäuden zu kümmern, nicht um das Wirtschaftliche. «Bauern müssen ihre Betriebe vergrössern, mehr Auslauf schaffen für ihre Tiere, doch die OLK sperrt sich dagegen.» Anfang Jahr sei er in Krauchthal an einer Besprechung mit drei Bauern gewesen, die seit sechs Jahren versuchen, einen Gemeinschaftsstall zu bauen, doch bis dato werde das durch die OLK verhindert. Solche Beispiele gebe es viele, die OLK gehe einfach nicht auf die Bedürfnisse der Bauherren ein, findet Tanner. Ein beliebter Satz in den OLK-Berichten heisse: Der Neubau sei deutlich zu gross dimensioniert. Ein Kernthema ist für die EDU die Asylpolitik. Da ist und war Ernst Tanner nicht ganz auf Parteilinie. «Asylbewerber aus Notsituationen sollte man aufnehmen können», sagt er zu einem seiner Vorstösse, in dem verlangt wurde, dass Tibeter, die schon lange in der Schweiz waren, hätten arbeiten dürfen. Die EDU sei da skeptisch gewesen, aber «von seinem Herzen her» habe er das unterstützt. Und bei der EDU habe man auch die Freiheit, sich in gewissen Dingen anders als die Partei entscheiden zu dürfen.

Hat sich Tanner für die von der EDU mitgetragenen Vorstösse gegen die Corona-Politik des Bundes engagiert? «Ich habe unterschrieben, weil zu viel diktiert wurde», meint er. Aber: Er habe sich impfen lassen. Zum Glück sei der Booster nicht vorgeschrieben worden, denn viele, die sich auch dieser Impfung unterzogen hätten, seien danach krank geworden.


Beziehung Mann-Frau «das Richtige»

Aktuell hat die EDU angekündigt, in den Städten, die sich um die Austragung des Eurovision Song Contest 2025 bemühen, das Referendum gegen allfällige Kreditbegehren in dieser Sache zu ergreifen. «Ich engagiere mich nur wenig dafür, werde aber unterschreiben», sagt Tanner, «es ist doch komisch, dass man jetzt ein drittes Geschlecht einführen soll.» Auch die Eheschliessung unter Homosexuellen unterstütze er sicher nicht, aber er sei «nicht so extrem» zu sagen, Homosexualität dürfe nicht sein. «Doch von der christlichen Sicht her wissen wir, dass die Beziehung zwischen Mann und Frau das Richtige ist.» Stolz ist Ernst Tanner auf sein letztes Votum im Grossen Rat. Die SP-Grossrätin Sarah Gabi Schönenberger wollte Traktor-Pulling verbieten, den Wettkampf, bei dem ein Bremswagen mit einem Traktor möglichst weit geschleppt wird. «Um eine Bewilligung zu erhalten, macht das Strassenverkehrsamt 18 Auflagen für den Bodenschutz, die alle eingehal-ten werden», sagte der EDU-Politiker vor dem Plenum. Um in die vorderen Ränge zu fahren, verbrauche ein Traktor nur fünf bis sechs Liter Diesel.
Das sei nahezu nichts im Vergleich zu einem Flugzeug, mit dem Menschen für ihren Freizeitspass in ferne Länder fliegen würden. Der Vorstoss der SP-Grossrätin wurde mit 109 gegen 22 Stimmen abgelehnt.


«Die Verwaltung entscheidet»

Als Niederlage im Grossen Rat bezeichnet Tanner das Zusammenspiel von Parlament und Verwaltung. «Vieles, was der Grossrat beschlossen hat, wird durch Verwaltungsleute gar nicht oder in eine andere Richtung umgesetzt.» Zu den Regierungsräten habe man zwar «gleich welcher Partei» guten Kontakt, man könne ihnen An­liegen vorbringen, aber was daraus werde, entscheide die Verwaltung.

Mit der Entlöhnung seiner Arbeit als Parlamentarier – «ungefähr 19´000 Franken pro Jahr» – sei er zufrieden. Als Unternehmer käme er weiter, aber im Gegensatz zu andern trete er nicht aus finanziellen Gründen zurück. Wie wird er seine Zeit als ehemaliger Grossrat gestalten? Zum einen bleibt er als Präsident der EDU Emmental noch im Amt. Zum andern plant er, falls es die Gesundheit erlaubt, bis zum Alter von 70 Jahren zu arbeiten: «mit dem Mähdrescher unterwegs sein, mit dem Bagger Wasserquellen sanieren».

«Wie in den Ferien» fühle er sich jeweils beim Alpeinsatz im Kanton Graubünden, für den er sich seit 20 Jahren eine Woche Zeit nehme. Ins Ausland geflogen sei er erst einmal «zwecks Besichtigung eines Mäh­drescherwerks in Belgien». Und nein: Fliegen, zum Beispiel in die Baha-mas, werde er auch in Zukunft sicher nicht.

25.07.2024 :: Rudolf Burger (bur)