Die Emmentaler Olympia-Hoffnung

Die Emmentaler Olympia-Hoffnung
Yves Mermod und Maja Siegenthaler sind ein eingespieltes Team. / Bild: zvg
Segeln: Morgen beginnen die Olympischen Spiele in Paris. Als einziger Athlet aus dem WZ-Gebiet mit dabei ist Yves Mermod. Wir haben kurz vor seiner Abreise mit ihm gesprochen.

«Die Olympischen Spiele sind ein Kindheitstraum – es ist der grösste Sportanlass der Welt», sagt Yves Mermod voller Vorfreude. Der 27-jährige Segler aus Grosshöchstetten ist in diesem Jahr zum ersten Mal dabei. Gemeinsam mit Maja Siegenthaler vertritt er die Schweiz in Paris. Oder besser gesagt in Marseille, denn sämtliche Segel- und Surfwettbewerbe finden in der dortigen Bucht statt.

Das Olympia-Feeling und die Vorfreude sei über die letzten Wochen immer mehr aufgekommen, sagt Mermod. «Immer wieder hat man auf Instagram die Selektionen der verschiedensten Sportarten gesehen. Und alle Segler waren schon in Marseille am Trainieren – mit den neuesten Booten und dem neuesten Material.» So richtig begonnen habe es dann mit der Einkleidung der Athletinnen und Athleten letzte Woche in Zürich. Ein spezieller Moment, auf den er sich sehr gefreut habe, sagt Mermod.

Ebenfalls gross ist die Vorfreude auf die Eröffnungsfeier, die morgen Freitag steigt. Weil der Wettkampf von Yves Mermod und Maja Siegen­thaler erst am 2. August beginnt, liegt die Reise von Marseille nach Paris und zurück drin. «Ich freue mich, alle anderen Athleten zu treffen.»


Eingespieltes Team

Im Dezember 2021 formierten Yves Mermod und Maja Siegenthaler ein Team, nachdem klar wurde, dass die olympische 470-Klasse neu im Mixed bestritten wird – offiziell heisst der Wettkampf «Mixed Zweihandjolle». Zweieinhalb Jahre dauerte die Kampagne, in der die beiden gezielt auf Paris 2024 hingearbeitet haben. «Es hat von Anfang an gepasst», erzählt Mermod. «Wir segelten schnell auf einem guten Niveau.»

Am Anfang sei es das Wichtigste gewesen, die Abläufe zu festigen. «Das hört nie auf, das üben wir bis heute. Auch die Kommunikation muss perfekt sein.» Als Steuermann hat Mermod das Ruder in der Hand, lenkt das Boot und bedient das Grosssegel. Vorschoterin Siegenthaler kontrolliert Vorsegel und Spinnaker. Die beiden verstehen sich bestens. Wer die Taktik macht, ist abhängig vom Wind. Segeln sei ein enorm zeitintensiver Sport, erklärt er. «Wir trainieren täglich. Viel auf dem Wasser, aber auch im athletischen Bereich.»

Die beiden werden von einem grossen Team unterstützt: Segelcoach Toni Ripoll vom Swiss Sailing Team, Monika Meier vom Thunersee-Yachtclub, die Mentalcoaches Leo Held und Maayke van der Plujim, Athletik-Coach Lukas Markwalder sowie Kommunikationsberater Peter Camenzind. «Viele von ihnen helfen uns ehrenamtlich, ohne sie wäre das kaum möglich», ist sich Mermod bewusst. «Auch die Sporthilfe sowie weitere Sponsoren sind wichtig für uns.» Zwar hat der Zimmermann eine Festanstellung bei Lüthi Holzbau in Münsingen; weil er aber Sportsoldat ist, kann er nahezu als Vollprofi trainieren.


Der Wettkampf

Die Olympia-Regatten der 470-Klasse starten am 2. August. Wenn es die Windverhältnisse zulassen, werden täglich zwei Regatten ausgetragen. Es sind 19 Boote am Start, eines pro Nation. Die besten zehn qualifizieren sich für das Medaillen-Rennen, das für den 7. August vorgesehen ist und dessen Ergebnis doppelt zählt. Müssen Regatten verschoben werden, wird das Ganze ein oder zwei Tage nach hinten verlegt. «Unser erklärtes Ziel ist eine Top-8-Platzierung», erklärt Mermod. Das primäre Ziel sei aber, die bestmögliche Leistung abzurufen. Zu den Favoriten zählt er Spanien und Frankreich. «Dahinter gibt es viele Teams, die ganz vorne mitsegeln können.» Anders als in anderen Sportarten haben rund zwei Drittel der Teams Chancen auf eine Medaille oder gar den Sieg. «Entscheidend wird sein, wer die beste Woche hat und die Nerven behält.»

Weil die Mixed-Kategorie neu olympisch ist, gibt es auch keine Ti­telverteidiger. Viele Teams verfügten aber über Olympia-Erfahrung, erklärt Mermod. So auch Maja Siegenthaler: «Sie hat mir viel erzählt und versucht, mich vorzubereiten.» Das Wichtigste sei, locker zu bleiben. «Alle sind nervös, weil Olympia so gross gemacht wird.» Sportlich sei es aber ein ganz normales Rennen, sogar mit weniger Booten als bei anderen Wettkämpfen.


Schwierige Verhältnisse in Marseille

Seit über zwei Jahren trainieren Yves Mermod und Maja Siegenthaler gemeinsam in Marseille. Zum einen geographisch bedingt, weil es von der Schweiz aus die nahegelegenste Trainingsmöglichkeit ist. Und natürlich, um die Bedingungen kennenzuler-nen. «Die Verhältnisse in dieser Bucht sind komplex», erklärt Mermod. Es galt, über diese Zeit so viele Erfahrungswerte wie möglich zu sammeln. «Wir haben eine grosse Datenbank von Wind- und Wetterinformationen. Die Coaches machen viele Notizen und auch ich führe ein eigenes Tagebuch, in dem ich Beobachtungen und Erfahrungen festhalte. Dennoch bleibt es eine Aussensportart und alles kann wieder ändern.»

Yves Mermod kann in Marseille auf die Unterstützung seiner Familie zählen. Vater Claude, selbst erfolgreicher Segler, und der Rest der Familie haben ausserhalb von Marseille eine Unterkunft gemietet, um vor Ort dabei zu sein. Nur einer ist noch näher: «Mein jüngerer Bruder Marius ist der offizielle Koch des Swiss Sailing Teams.» Beide waren früher zusammen im Kunstturnen und haben von Olympia geträumt. «Dass der Wunsch nun in Erfüllung geht und es fast ein Familien-Event ist, ist unglaublich.»

25.07.2024 :: Micha Strohl (msz)