Im Waldes- innern ist die Pflästerung des Weges, der von Schüpfheim nach Heiligkreuz führt, noch gut sichtbar. / Bild: Rudolf Trauffer (rtt)
Schüpfheim: Im Rahmen der europäischen Tage des Denkmals wurde eine Exkursion auf dem
alten Pilgerweg von Schüpfheim nach Heiligkreuz angeboten – eine spannende Reise.
Ist denn ein Pilgerweg ein schützenswertes Kulturdenkmal? «Durchaus», sagt Richard Portmann. Der Exkursionsleiter ist pensionierter Schulleiter und Liebhaber historischer Verkehrswege. «Vor allem, wenn ein Weg noch so viel ursprüngliche Substanz aufweist wie dieser hier.» Zwar seien die Stationen- oder Kreuzwege keine mittelalterlichen oder gar frühchristlichen Altertümer. «Sie sind mehr oder weniger alle im 18. oder 19. Jahrhundert entstanden.» Zum Motto «Vernetzt» der diesjährigen Denkmaltage passt der Pilgerpfad allemal. Man bewegt sich nicht bloss zwischen zwei Ortschaften, man ist auch in einer diesseitigen und einer jenseitigen Welt unterwegs.
Ausgangspunkt des Weges ist die majestätische Kirche von Schüpfheim. «Als sie in den Jahren 1805 bis 1814 gebaut wurde, war es das ehrgeizige Bestreben der Schüpfheimer, sie grösser und höher zu bauen als
diejenige von Ruswil. So wollte man zeigen, dass man definitiv nicht mehr das Armenhaus des Kantons sei». Wenige Jahre nach der feierlichen Einweihung wurde fast das ganze Dorf ein Raub der Flammen. Glücklicherweise blieb die Kirche verschont.
Den Leidensweg nachvollziehen
An 14 Stationen können die Wandernden beim Aufstieg nach Heiligkreuz den Leidensweg Christi von der Verurteilung bis zur Grablegung miterleben. Dass der Weg steil aufwärts führt, ist sicher nicht nur auf das Gelände zurückzuführen. «Es ist bestimmt gewollt, dass man ansatzweise ein bisschen mitleiden soll», wirft eine Teilnehmerin ein. «Früher wurde auf einem Pilgerweg mehrheitlich geschwiegen», ergänzt Richard Portmann. Die 14 Bildstöcke – am Anfang standen hier bloss einfache Holzkreuze – sollen auch heute noch die Pilgernden anregen, innezuhalten und das Leiden Christi im Gebet oder meditativ nachzuvollziehen. Der Weg wurde vermutlich von den Kapuzinern angelegt, die bis vor wenigen Jahren in Heiligkreuz den Wallfahrtspriester stellten. Bei einem der Bildstöcke erinnert eine Tafel daran, dass 1907 der damals zuständige Priester beim Aufstieg in Verrichtung seines Amtes an einem Herzversagen starb.
Im Entlebuch gibt es übrigens noch drei weitere Stationenwege: In Escholzmatt zur St. Anna-Kapelle auf dem Schwendelberg, in Marbach zur Lourdes-Grotte und oberhalb von Hasle den Weg nach Heiligkreuz.
Eine Restaurierung ist geplant
Der Weg, den wir heute begehen, war früher grösstenteils mit Natursteinen gepflästert. Wie der Weg seinerzeit entstanden ist, darüber könnte die geplante Restaurierung Aufschluss geben, hofft Richard Portmann. Vielerorts ist die Pflästerung mit Gras überwachsen oder durch die Witterung zerstört. «Es besteht ein Projekt, den Weg zum Teil wie im ursprünglichen Zustand zu restaurieren. Man wird aber Kompromisse eingehen müssen, vorab mit den Landwirten. Auf den Heuwiesen wird man die alte Pflästerung sicher nicht freilegen», erläutert der Exkursionsleiter. «Als Wanderer geniesse ich es auch, wenn sich der Weg da und dort etwas weicher anfühlt, so dass ich am liebsten die Schuhe ausziehen möchte.» Die Wiederherstellung kostet ordentlich Geld, das noch gesprochen werden muss. Auch die Bildstöcke brauchen regelmässig Unterhalt. «Diese Arbeiten werden von Freiwilligen im Frondienst ausgeführt», erzählt Franz Zihlmann, der ehemalige Verantwortliche für die Wanderwege der Gemeinde Schüpfheim, der als 86-Jähriger den Aufstieg ebenfalls mitmacht. «Der Weg ist übrigens trotz seiner Steilheit viel begangen. An einem Karfreitag sind hier oft ganze Gruppen unterwegs», freut er sich.
Andere Sichtweisen
Beim Grenzbach zwischen den Gemeinden Schüpfheim und Hasle, der Biberen, mitten im Wald, stehen wir plötzlich vor einer massiven Natursteinbrücke, die man hier nicht erwartet. «Sie wurde 1836 gebaut, und sie beweist, dass
der Weg nicht bloss ein Pilgerweg war, sondern auch für die bäuerlichen Waren- und Holztransporte eine Bedeutung hatte.» Kurz vor dem Ziel erkennen wir im Wald einen aus Holz gezimmerten Treppenweg. «Das ist der Seelensteg, 500 Meter lang. Er wurde im Jahr 2000 aus «Lothar»-Holz erstellt. Er führt durch den abwechslungsreichen, märchenhaften Wald, seit einigen Jahren ein Waldreservat, wo die Holznutzung für Jahrzehnte aufgegeben wurde. Der Steg ist immer ein kleines oder grösseres Stück vom Boden
abgehoben». Der Leiter sinniert weiter: «In diesem Abgehoben-Sein blickt man plötzlich anders auf die sinnlich wahrnehmbare Welt. Vielleicht hat uns auch der Pilgerweg bis hierher schon offen gemacht für andere Sichtweisen und Empfindungen.»
Am Ziel
In der kühlen Kirche von Heiligkreuz, wo schon Tausende von Gläubigen vor uns ihre Sorgen und Leiden abgeladen haben, erholen wir uns vom strengen Aufstieg. Im Jahr 1344 haben Mönche aus dem Kloster St. Urban hier im unwirtlichen Waldgebiet eine einfache Klause errichtet. Die Kreuzreliquie, die seit Jahrhunderten in der Kirche aufbewahrt wird, machte den Ort zum Wallfahrts- und wichtigsten Versammlungsort des Entlebuchs.