Teilzeitarbeit auf dem Bau: «Nicht gäbig» – aber immer mehr Realität

Teilzeitarbeit auf dem Bau: «Nicht gäbig» – aber immer mehr Realität
Zimmerleute arbeiten meist in festen Teams, weshalb es schwieriger ist, Teilzeitarbeit zu organisieren. / Bild: zvg
Emmental/Entlebuch: Auch in der Holzbaubranche ist Teilzeitarbeit zunehmend gefragt. Das stellt die Betriebe vor Herausforderungen. Der Branchenverband lanciert nun ein Projekt.

«Ein rotes Tuch» und «nicht gäbig», lauten zwei Reaktionen von Arbeitgebern aus der Holzbaubranche auf die Frage, wie sie zur Teilzeitarbeit stehen. Die Nachfrage aber steige. Schon bei Vorstellungsgesprächen werde vermehrt klargestellt, dass man nur 60 oder 80 Prozent arbeiten wolle, und zwar nicht nur Familienväter. «Bei Jungen ist es heute schon fast normal. Die Löhne sind so hoch, dass sie mit 80 Prozent durchkommen», sagen die beiden Unternehmer. Ob man dies nun gut finde oder nicht, die Branche werde sich der Situation anpassen müssen. Sonst finde man keine guten Fachkräfte mehr. Aus diesem Grund haben der Branchenverband Holzbau Schweiz und die Gewerkschaften zusammen mit dem Verein Pro Teilzeit das Projekt «Arbeitsmodelle für Vereinbarkeit im Holzbau» lanciert.

  

Schwierige Teameinteilung

Heinz Beer ist Geschäftsführer der Beer Holzbau AG aus Ostermundigen, die auch in Zollbrück eine Filiale betreibt. Er ist als Mitglied der Zen­tralleitung von Holzbau Schweiz ins Projekt involviert. Auch in seinem Betrieb sei die Nachfrage nach Teilzeitarbeit momentan gross, und zwar querbeet durch alle Bereiche und Stufen. Die gewünschten Pensen variierten von 20 bis 95 Prozent. Derzeit arbeiteten rund 25 Prozent der 85 Angestellten teilzeit, Tendenz steigend. Dies stelle die Branche vor grosse Herausforderungen, sagt Heinz Beer. Die Hauptschwierigkeit sei es, dass Holzbauer immer im Team unterwegs sind. «Wenn dann zum Beispiel der Gruppenchef am Donnerstag fehlt, wird es schwierig.» Auf grösseren Baustellen sei dies noch eher machbar, etwa indem von Anfang an zwei Gruppenchefs zugeteilt würden. «Bei kleineren Aufträgen wie Umbauten und Sanierungen aber arbeiten oft Zweierteams zusammen, beispielsweise ein Zimmermann und ein Lernender. Wenn der Zimmermann frei hat, steht die Baustelle still, weil man den Lernenden nicht alleine losschicken kann», nennt Beer ein Beispiel. Für kleine Betriebe sei es deshalb schwieriger, sich zu organisieren, als für grosse. Generell nehme der Aufwand für Koordination und Kommunikation zu, die Effizienz hingegen ab.


Branche muss sich anpassen

Für Heinz Beer ist aber klar, dass sich die Holzbaubranche wird anpassen müssen, «damit wir auch in Zukunft attraktive und wettbewerbsfähige Anstellungsbedingungen bieten und so ausreichend Fachkräfte finden und diese auch halten können». Das Projekt soll dabei helfen. In einer Umfrage können sich Unternehmen aktuell äussern, ob sie Interesse am Projekt haben und wo sie die Herausforderungen sehen. Die Arbeitnehmenden werden befragt zu ihrer Zufriedenheit mit ihrer Arbeit und dem Pensum. Thematisiert werden auch andere Arbeitszeitmodelle wie etwa die Vier-Tage-Woche. Aufgrund der Ergebnisse der Umfrage sind weitere Hilfestellungen für Unternehmen geplant wie fachliche Beratung, Begleitung von Pilotprojekten, Webinare sowie Hilfsmittel und Vorlagen.


Männer sind benachteiligt

Für Projektleiterin Barbara Rimml vom Verein Pro Teilzeit ist das Rekrutieren und Halten von Fachkräften nicht der einzige Grund, weshalb sich die Baubranche mit der Teilzeit-Frage befassen sollte. Es gehe auch um die Frage der Gleichstellung. Männer seien in Sachen Teilzeitarbeit benachteiligt, das habe auch eine Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH ergeben. Diese habe gezeigt, dass der Wunsch nach Teilzeitarbeit für Männer ein grösseres Hindernis für eine Anstellung darstelle als für Frauen. «Je geringer das Pensum, desto kleiner die Chance.» Bei Frauen sei Teilzeitarbeit eher akzeptiert. Das entspreche den bisherigen Rollenbildern, doch diese würden sich gerade ändern. «Heute möchten viele Männer Verantwortung in der Kinderbetreuung übernehmen», erklärt Rimml. Die Familie, das habe die Umfrage bei den Malern- und Gipsern ergeben (siehe Kasten), sei mit Abstand der wichtigste Grund für Teilzeitarbeit gewesen. Auf Rang zwei folge dann die Gesundheit.

600 neue Teilzeitstellen bei Malern und Gipsern

Während vier Jahren hat der Verein Pro Teilzeit zusammen mit dem Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verband und den Gewerkschaften Unia und Syna ein Teilzeitförderprojekt durchgeführt, unterstützt vom Eidgenössischen Gleichstellungsbüro. In dieser Zeit hätten sich die Teilzeitstellen in dieser Branche mit über 600 neuen Stellen verdoppelt, schreibt der Verein Pro Teilzeit. «Das hat die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessert sowie Fachkräfte gehalten.» Ausserdem seien im Rahmen des Projekts Hilfsmittel entwickelt worden wie Muster-arbeitsverträge oder Leitfäden für die berufliche Vorsorge. Nebst der Holzbaubranche startet auch das Gebäudehüllengewerbe ein ähnliches Projekt.

03.10.2024 :: Silvia Wullschläger (sws)