Wegen des Klimawandels kann heute oft bis in den späten Herbst hinein gewandert werden. / Bild: zvg
Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer wandern immer häufiger. Die Saison wird wegen des Klimawandels länger – und ein neuer Trend zeichnet sich ab: Wandern im Winter.
An einem sonnigen Wochenende gibt es in den Schweizer Bergen oft kein Halten mehr: Unzählige wanderfreudige Menschen machen sich auf, um neue Wege zu entdecken und die Natur zu geniessen. Denn: Wandern ist hierzulande eine der liebsten Sportaktivitäten. Jährlich wandern rund vier Millionen Schweizerinnen und Schweizer, hält der Verband Schweizer Wanderwege fest. Tatsache sei, dass Wandern immer beliebter geworden ist, bestätigt Mediensprecherin Patricia Cornali. Während 2007 rund 33 Prozent der Schweizer Bevölkerung wanderten, schnüren heute bereits 58 Prozent regelmässig ihre Wanderschuhe. Von einem Wanderboom will die Expertin trotzdem nicht sprechen. «Unsere Zahlen zeigen eher eine stetige positive Entwicklung über die Jahre als eine sprunghafte Zunahme.»
Lokaler Boom
Auch die gängige Meinung, dass die Corona-Pandemie dem Wandern starken Schub verliehen habe, relativiert Cornali: «Wir verzeichneten während der Pandemie insgesamt nur eine geringe Zunahme.» Regional habe sich der Boom hingegen feststellen lassen: In der Romandie wanderten vor Corona nur 50 Prozent der Bevölkerung,
danach waren es 60 Prozent. Die starke Zunahme könnte auf die strengeren Schutzmassnahmen zurückzuführen sein, die damals in der Westschweiz galten, vermutet die Medienverantwortliche. Stark zugenommen habe die Begeisterung für das Wandern zudem in den jüngeren Altersgruppen: zwischen 2013 und 2019 vor allem bei den jungen Frauen zwischen 15 und 29 Jahren. Während der Coronazeit holten dann die jungen Männer auf.
Eine Lifetime-Sportart
Doch warum ist Wandern eigentlich so beliebt? Man tut etwas für seine physische und psychische Gesundheit und ist in der Natur, sind die wichtigsten Motive, die für die Studie «Wandern in der Schweiz 2020» erfragt wurden. Auch Fitness, Entspannung und Stressreduktion sind Beweggründe, die häufig genannt wurden. Cornali fügt an: «Wandern ist eine Aktivität, der alle nachgehen können und die man gemeinsam erleben kann.» Und es sei eine Lifetime-Sportart. «Von Kindsbeinen an bis ins hohe Alter können Touren gestalten werden, wie es passt: lang, kurz, abenteuerlich, zum Gourtmetrestaurant in den Bergen oder zur nächsten Brätlistelle.»
Kein verstaubtes Image
Ein Ende der Wanderbegeisterung ist nicht absehbar. Dazu trägt auch die gesellschaftliche Entwicklung bei. «Wir werden älter, die Seniorinnen und Senioren sind heute tendenziell länger fit und mehr Leute arbeiten Teilzeit und haben daher mehr Zeit», führt die Expertin aus. Auch Nachwuchssorgen hat der Schweizer Volkssport keine. «Das Wandern hat sein verstaubtes Image längst abgelegt», sagt Cornali. Dazu hätten auch die sozialen Me-dien ihren Teil beigetragen, auf denen attraktive Routen und Ziele geteilt würden. Die Kehrseite der Medaille: Immer öfter kristallisieren sich so Hotspots heraus, die dann vor allem von jungen Menschen überrannt werden. Trotz aller Wanderfreude: Der Anteil der Wandernden werde nicht mehr so stark zunehmen wie in den letzten Jahren, erwartet Patricia Cornali, «auch, weil einfach bereits sehr viele Menschen wandern». Man stelle aber fest, dass immer häufiger und wegen des Klimawandels auch länger im Jahr gewandert werde. «Schneearme Winter verlängern die Wandersaison in immer höheren Lagen», erklärt Cornali.
Der Trend zum Winterwandern
Den Bergdestinationen in tieferen Lagen, die wegen des ausbleibenden Schnees um die Zukunft ihrer Skigebiete fürchten müssen, kommt die Beliebtheit des Wanderns gelegen. Sie bauen nicht nur ihre Angebote im Sommer aus, etwa mit Themenwegen, Wander-Events oder Genusswanderungen, sondern setzen vermehrt auch auf Winterwandern als Alternative zum Skifahren (siehe Kasten). Dies stellt man auch beim Verband Schweizer Wanderwege fest. Cornali: «Wir verzeichnen eine starke Zunahme beim Winterwandern und Schneeschuhlaufen.» Nebst dem fehlenden Schnee seien auch die immer teurer werdenden Skipässe dafür verantwortlich, dass nach alternativen Aktivitäten gesucht werde. «Eine Familie geht in den Winterferien vielleicht nicht mehr täglich Skifahren, sondern baut ein paar Wandertage ein.» Der Trend zum Winterwandern stellt auch «Schweizer Wanderwege» vor neue Herausforderungen. Das signalisierte Angebot an Winterwanderwegen und Schneeschuhrouten sei mancherorts noch klein und wenig koordiniert, erzählt Patricia Cornali. «Wir arbeiten derzeit an einem flächendeckenden Kartennetz für signalisierte Winterpfade, vergleichbar mit jenem, das man bereits vom Sommer her kennt.»