Hielt am ersten Bildungsforum ein spannendes Referat: Hirnforscher Lutz Jäncke. / Bild: Beatrice Keck (keb)
Schüpfheim: Die Kantonsschule Schüpfheim?/?Gymnasium-Plus lud zum ersten Bildungsforum ein. Hirnforscher Lutz Jäncke erklärte, worauf es beim Lernen ankommt.
Begrüsst wurde das Publikum im bis auf den letzten Platz gefüllten Gemeindesaal Adler von einem schönen Jodelvortrag. Sängerin war Flurina Blattner, eine Schülerin des Gymnasium-Plus. Auch Regierungsrat Armin Hartmann liess sich die Gelegenheit dieser neuen Austausch- und Informationsplattform nicht entgehen. Danach begann der geladene Gast, der renommierte Hirnforscher Lutz Jäncke, sein fulminantes Referat. Der Professor hat sich als Neurowissenschaftler und Psychologe über viele Jahre mit dem Gehirn und den neurobiologischen Voraussetzungen des Lernens von Kindern und Jugendlichen auseinandergesetzt.
Der wichtigste Faktor: der Schüler
International seien im Bereich Lernen die wichtigsten Einflussgrössen dieselben, sagte Jäncke. Erstaunt erfuhren die Zuhörenden, dass die beiden wichtigsten Faktoren für erfolgreiches Lernen bei dem Schüler selber liegen. Erst an vierter Stelle steht die Lehrerin. Und zwar Lehrerinnen, die mit sogenannten Mikrounterricht lehren. «Die Lehrerin arbeitet bei dieser Lehrform mit kleinen Gruppen und konzentriert sich auf einzelne Schüler», erläuterte Jäncke. «So interagiert die Lehrerin im individuellen Kontakt mit dem Schüler und hilft ihm, Probleme selber zu meistern.» Beim Schüler selber sei die Selbstdisziplin viermal wichtiger als die Höhe des Intelligenzquotienten. Schülerinnen mit Selbstdisziplin würden weniger die Schule fehlen, würden fleissiger ihre Hausarbeiten machen und damit auch früher am Tag beginnen und sie würden weniger Fernsehen schauen. «Wir müssen vor allem lernen, die digitale Welt zu beherrschen», betonte er, «und uns nicht von den unfassbar vielen Reizen beherrschen lassen.» Ansonsten würden wir Sklaven der Reize, was zu Stimmungsschwankungen, mangelnder Selbstdisziplin und Selbstkontrolle sowie zu einer Übererregbarkeit des autonomen Nervensystems führe.
Vom Lernen und Verlernen
Forschungen hätten gezeigt, dass beispielsweise die Musiker der Berliner Philharmonie bis zu ihrem 18. Lebensjahr bereits 10´000 Stunden geprobt, geübt und wiederholt haben. Nach bloss einem Jahr Musikunterricht könne man anatomische und funktionelle Veränderungen im Gehirn nachweisen, so Jäncke. Dasselbe gelte für alle anderen Bereiche des Lebens. Da die wichtigsten Elemente des Lernens Aufmerksamkeit, Konzentration auf das Wesentliche und Wiederholung seien, wird es augenscheinlich, dass der digitale Konsum das Lernen verhindert. «Unser Gehirn kann lebenslang lernen, also neue neuronale Verbindungen schaffen», führte der Professor aus. Aber: «Genauso, wie es lernen kann, kann es bei mangelndem Training auch verlernen.» Wie aber kommt man aus diesem Dilemma zwischen Lernfähigkeit und Medienkonsum heraus? Langeweile sei das eine, also nicht dauernd von etwas berieselt und abgelenkt zu werden, erklärte Lutz Jäncke. Wichtig sei zudem zu wissen, dass das Hirn lernen will indem es imitiert. «Eltern sind also wichtige Vorbilder, die ein Kind nachahmt.» Nach dem Vortrag spielte eine weitere Schülerin des Gymnasium-Plus, Klara Winter, ein Klavierstück von Brahms. Der Anlass wurde von einem Podiumsgespräch abgerundet.