Kann sich Grosshöchstetten für den Millionen-Kredit erwärmen?

Kann sich Grosshöchstetten für den Millionen-Kredit erwärmen?
Bild: Jürg Kühni (JKB)
Grosshöchstetten: Die Abstimmung über ein Darlehen von vier Millionen für den Wärmeverbund weckt Emotionen. Es geht um Schulden und Fragen zu den Kompetenzen des Gemeinderats.

Die Stimmberechtigen in Grosshöchstetten müssen sich bei den Abstimmungen vom 24. November auch zu einer schwierigen Entscheidung auf lokaler Ebene durchringen: Der Gemeinderat beantragt für die gemeindeeigene Energie Grosshöchstetten AG (ENGH) ein Darlehen von vier Millionen Franken. Aus Sicht der Exe­kutive ist das eine logische Fortsetzung nach den Entwicklungen in Sachen Fernwärme seit November 2023. In einem ersten Schritt entliess der Gemeinderat damals vier von fünf Mitgliedern des ENGH-Verwaltungsrats, weil sie sich dem Projekt eines gemeinsamen Wärmeverbunds mit dem Neuhuspark widersetzt hatten. Anstelle der vier gefeuerten Personen wurden Gemeindepräsidentin Christine Hofer und Gemeinderat Magnus Furrer zu Verwaltungsräten erkoren und das Projekt Wärmeverbund gestartet. Der Neuhuspark soll bereits in diesem November mit Wärme versorgt werden, die Siedlung Talacker 2025, drei Schulhäuser und das Gemeindehaus 2026.


«Bürger in Geiselhaft»

Schon anlässlich einer Informationsveranstaltung im Mai wurde das Vorgehen des Gemeinderats als «undemokratisch» und als «Verarschung des Bürgers» kritisiert. Jetzt, vor der Abstimmung, haben sich die ehemaligen Verwaltungsräte mit einem Flugblatt und einer eigens aufgeschalteten Internetseite zu Wort gemeldet. «Wir versuchen, die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen nochmals auf die Missstände hinzuweisen», sagt Ruedi Sutter, einer der Vier. «Die Gemeinde wird in Schulden gestürzt und droht, finanziell Schaden zu nehmen.» Das Vorgehen von Verwaltungs- und Gemeinderat, den Baubeginn ohne bestehende Finanzierung auszulösen, sei «verantwortungslos und selbstherrlich, ein Skandal». Die Bürger würden in «Geiselhaft» genommen. Ähnlich kritisch äussert sich auch Ueli Jenzer. Der ENGH-Verwaltungs­rat habe «ohne Not eigenmächtig in neuer Zusammensetzung bindende Verträge für millionenschwere Spekulationsprojekte» unterzeichnet. Ueli Brunner, ein weiterer Grosshöchstetter Bürger, kritisiert, das Stimmvolk müsse «im Blindflug einen Vier-Millionen-Kredit sprechen.»


«Schuld in 20 Jahren getilgt»

«Aus rechtlichen Gründen» dürfen die ENGH-Verwaltungsräte Magnus Furrer und ich zur Abstimmungsvorlage öffentlich keine Stellung nehmen», sagt Gemeindepräsidentin Christine Hofer. Auf die Einwände der Gegner antwortet Finanzchefin Caroline Devaux. Die ENGH sei vor Jahren in eine Aktiengesellschaft ausgelagert worden und könne als AG somit eigenständig handeln. «Ich verstehe, dass das Vorgehen kritisiert wird, aber der Gemeinderat musste im Sinne einer nachhaltigen, klimapolitisch sinnvollen Politik handeln, um den Wärmeverbund mit dem Neuhuspark realisieren zu können.» Mit Schuldenmacherei habe das Projekt nichts zu tun, das Darlehen müsse verzinst und zurückbezahlt werden - sie rechne damit, dass diese Schuld in etwa 20 Jahren getilgt sei. Und was geschieht, wenn die Vorlage abgelehnt wird? «Das ist schwer abzuschätzen», sagt Devaux. «Die ENGH braucht Liquidität, um Rechnungen zu bezahlen. Möglicherweise müsste sie dann den Bereich Wärmeverbund oder den Bereich Strom abstossen. Aber man weiss ja, dass Notverkäufe selten gute Preise erzielen.» Devaux plädiert dafür, Kritik am Gemeinderat nicht mit einem Nein zu dokumentieren: «Die politisch korrekte Antwort wäre es, bei den Wahlen 2025 einen anderen Gemeinderat zu wählen.»

Die Haltung der GPK und der Parteien

Für die Geschäftsprüfungskommission (GPK) hält Wolfang Freyer fest, dass bei der Entstehung des Geschäftes Fehler gemacht worden seien. «Die Vorlage jetzt stellt aber kein Hochrisiko dar. Die GPK beurteilt das Geschäft als richtig und realistisch.» Die Freie Wählergruppe, zu der auch ENGH-Verwaltungspräsident und Gemeinderat Magnus Furrer gehört, schreibt, dass sie die Vorgänge im Zusammenhang mit der Planung des Wärmeverbunds «als nicht optimal» erachte. Der Wärmeverbund sei aber ein «zukunftsweisendes Projekt» für ein «nachhaltiges Grosshöchstetten», weshalb der Vorstand empfiehlt, der Vorlage zuzustimmen. SVP-Parteipräsident Markus Weber ist Mitglied des Nein-Komitees «stopp-schulden.ch». Ihn stören die «weitere Verschuldung für ein paar Wenige». FDP-Gemeinderat Peter Däpp, bis im Mai ENGH-Verwaltungsrat, ist sich bewusst, dass mehrere FDP-Mitglieder für das Nein-Komitee unterschrieben haben, sagt aber, ein Nein wäre «ein Schuss ins eigene Knie»; mit einem Nein gehe der Steuerzahler ein grösseres finanzielles Risiko ein als mit einem Ja. Martin Binggeli, Co-Präsident der SP, hält das Vorgehen für diskutabel, spricht sich aber im Sinne des «übergeordneten Ziels» für ein Ja aus. Von der EVP war keine Stellungnahme erhältlich.

14.11.2024 :: Rudolf Burger (bur)